Heute müssen wir weit zurückblicken - auf Zeiten, in denen die Börsenwelt noch eine ganz andere war. In jener Zeit, von der ich gestern berichten will, trug es sich zu, dass plötzlich viele Unternehmen auf einmal an die Börse strebten – zu viele. Ich erinnere mich, es gab im Jahr 2000 nur sehr wenige erfahrene Analysten, die warnten und das mit einem sehr gewichtigen Argument auf ihrer Seite. Zwei wichtige Grundfaktoren
Hier im Steffens Daily gehe ich immer wieder darauf ein, dass man die Märkte mit zwei wichtigen Faktoren beherrschen kann: Die erste Frage, die man sich stellen muss, ist: Wo notieren die Zinsen (im Vergleich zur Inflation)? Stehen sie niedrig, wird das die Kurse unterstützen; sind die Zinsen hoch, werden Anleger Gelder abziehen und in vermeintlich sichere Anleihen umschichten.
Die zweite lautet: Gibt es mehr dummes Geld (oder schwache Hände) oder mehr intelligentes Geld (starke Hände) im Markt? An den Tiefs kaufen die großen Anleger, die über sehr viel Erfahrung verfügen und die auch weitere Kursrückgänge locker aussitzen können. Die Kleinanleger sind hingegen in Panik - und steigen aus. Kurz, die starken Hände kaufen, die schwachen verkaufen. Hier muss man einsteigen. An den Hochs kaufen viele Kleinanleger, weil sie nun auch endlich an dem Börsenhype teilhaben wollen. Dann sind aber oft den großen Investoren bereits die Bewertungen zu ambitioniert, so dass sie sich auf die Verkäuferseite stellen. Kurz: Die starken Hände verkaufen und die schwachen kaufen. Eigentlich muss man immer nur das tun, was die starken Hände machen.
Das alles kennen Sie, wenn Sie mich schon länger lesen. Aus diesem Grund reiße ich es hier auch nur ganz kurz an.
Aber es gibt noch einen dritten Faktor, der in bestimmten Situationen mitentscheidend ist: Das Angebot an Aktien! Der dritte wichtige Faktor
Nach den Krisenzeiten kaufen die Unternehmen mit steigenden Kursen häufig eigene Aktien zurück. Das führt aber dazu, dass sich die Gesamtanzahl der Aktien verknappt. Und auch bei der Anzahl der Aktien gilt: Der Kurs wird von Angebot und Nachfrage bestimmt. Wenn sich durch diese Aktienrückkaufprogramme das gesamte Angebot verknappt, wird sich das auf den „Gesamtpreis“ der Aktien positiv auswirken – die Kurse steigen.
Am Ende großer Aktienhaussen, wie zum Beispiel in den Jahren 1999 und 2000, gibt es sehr viele Unternehmen, die an die Börsen drängen. Und das wiederum führt dazu, dass plötzlich die Gesamtzahl an Aktien dramatisch ansteigt. Dieses explodierende Angebot an Aktien übertrifft zum Schluss einer Rally sogar das immer weiter steigende Interesse an Aktien. Das hat zur Folge, dass der „Gesamtpreis“ der Aktien sinken muss. Der größte Börsengang aller Zeiten
Aus diesem Grund muss man bei der Bewertung der Aktienmärte immer auch die Börsengänge der Unternehmen im Auge behalten. Und Sie haben es sicherlich schon gehört: Am Freitag wird in New York der größte Börsengang aller Zeiten über die Bühne gehen: der chinesische Onlinehändler Alibaba kommt mit einem Volumen von geschätzt bis zu 25 Mrd. Dollar. Insgesamt sollten zunächst 320 Millionen Anteilsscheine in einer Preisspanne zwischen 60 und 66 Dollar angeboten werden. Im Moment gibt es Gerüchte, dass die Preisspanne sogar noch nach oben ausgeweitet wird. Facebook war eine kleine Nummer dagegen und steht mit 16 Mrd. nur auf Platz 7 der größten Börsengänge aller Zeiten.
Und schon fragen sich die ersten Analysten, ob Anleger nicht, um an diesem Börsengang teilnehmen zu können, an anderer Stelle verkaufen, so dass die Börsen davon beeinträchtig werden.
Hier kann ich beruhigen: Durch einen einzelnen, wenn auch sehr großen Börsengang, wird nichts Nachhaltiges geschehen. Aber wir werden in den USA mit eventuell weiter steigenden Kursen natürlich auch immer weitere Börsengänge, darunter auch große, erleben. Und das kann irgendwann tatsächlich, wie beschrieben, dazu führen, dass zu viele Aktien trotz steigendem Aktieninteresse bei steigenden Kursen zu wenig Käufern gegenüber stehen und so ein kritisches Level erreicht wird. Die Medien werden andere Gründe vorschieben
Wenn also in den USA irgendwann tatsächlich die Zinsen steigen und gleichzeitig immer mehr Unternehmen an die Börse streben, wird irgendwann der Markt einknicken müssen. In den Medien werden Sie dann aber zunächst ganz andere Dinge als Ursache für die Kursverluste lesen – die üblichen „Alltagsereignisse“ werden als Begründung herhalten müssen. Bis irgendwann klar wird, dass doch substanziellere Gründen hinter den fallenden Kursen stehen. Aber das ist der übliche Gang der Börsen, der uns schon seit so vielen Jahrzehnten begleitet.
Lassen Sie sich also weiterhin nicht von den kurzfristigen Nachrichten ins Bockshorn jagen. Die langfristige Entwicklung der drei oben genannten Punkte ist bis auf wenige Ausnahmen entscheidend, nicht jedoch die Nachrichten des Tagesgeschäfts. Achten Sie auf diese hier genannten Punkte und sie werden langfristig auf jeden Fall erfolgreicher sein, als mit allen anderen Faktoren.
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens