BERLIN (dpa-AFX) - Im festgefahrenen Tarifstreit zwischen der Lokführer-Gewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn haben sich die Konfliktparteien gegenseitig die Schuld an den Beeinträchtigungen des Zugverkehrs zugewiesen. Die Gewerkschaft hätte angekündigt, mit Warnstreiks am Montagabend den Güterverkehr treffen zu wollen, dann sei aber der Fern- und Nahverkehr in Mitleidenschaft gezogen worden. "Die GDL hat die Bahnkunden und uns in die Irre geführt - vorsätzlich", sagte ein Sprecher des Unternehmens dem Sender MDR Info. "Das ist ein grobes Foul gewesen."
GDL-Chef Claus Weselsky wies die Vorwürfe zurück. Die Gewerkschaft habe die Fahrgäste rechtzeitig und korrekt informiert, dass alle Lokführer und Zugbegleiter ab 18.00 Uhr zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen seien. Auf WDR 2 sprach er von "gezielten Falschmeldungen", die die Bahn im Umlauf gebracht habe. Weselsky schloss weitere Streikaktionen nicht aus, über den Zeitpunkt sei aber noch keine Entscheidung getroffen. In einem nächsten Schritt will die Gewerkschaft dann auch über längerfristige Arbeitsniederlegungen abstimmen. "Aber die DB hat den Schlüssel in der Hand und kann jeden Tag substanzielle Angebote machen", meinte Weselsky. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hatte am Montag ein neues Tarifangebot der Bahn abgelehnt.
Nach dem Lokführer-Warnstreik am Vorabend hatte sich die Verkehrslage bei der Bahn am Dienstag wieder weitgehend normalisiert. Nur vereinzelt komme es im Nah- und im Fernverkehr noch zu geringfügigen Verspätungen, teilte die Bahn am Morgen mit. Am Montag waren zehntausende Pendler und Fernreisende sowie der Güterverkehr in ganz Deutschland von dem dreistündigen Ausstand betroffen.
In dem Tarifkonflikt geht es auch um den Zwist zwischen der GDL und der konkurrierenden Eisenbahner-Gewerkschaft EVG, die beide Anspruch auf Vertretung aller Bahn-Berufsgruppen bei dem Staatskonzern erheben. Weselsky sagte dem Sender Bayern2, eine Kooperation mit der EVG sei nicht in Sicht, denn "die Kollegen von der EVG haben leider die Position, die Tarifeinheit ohne Wenn und Aber wiederherstellen zu wollen". Das umstrittene Thema Tarifeinheit könnte auch bei dem Treffen von Bundesregierung und Spitzenvertretern von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften am (heutigen) Dienstag auf Schloss Meseberg zur Sprache kommen. Die Regierung will den Einfluss kleiner, durchsetzungsstarker Gewerkschaften eindämmen, die Details sind aber noch unklar.
Auch im Tarifkonflikt bei der Lufthansa F:LHA müssen Reisende wieder mit Streiks rechnen. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit ließ den Zeitpunkt jedoch weiter offen. Ein Sprecher wollte am Dienstag nicht sagen, wann es neue Arbeitsniederlegungen geben werde. Es gelte, dass die Passagiere rechtzeitig informiert würden. Die Pilotengewerkschaft hatte außerdem angekündigt, nicht parallel mit den Lokführern zu streiken. Am vergangenen Freitag hatte es bereits Arbeitsniederlegungen bei der Lufthansa-Tochter Germanwings gegeben. Die Gewerkschaft will in dem Tarifkonflikt größere Einschnitte bei den Vorruhestandsregelungen für die rund 5400 Kapitäne und Co-Piloten verhindern.z/kah/DP/jkr