Investing.com - Die Märkte warten mit Spannung auf die Ansprache der Fed-Vorsitzenden Janet Yellen beim Wirtschaftssymposium in Jackson Hole und erhoffen sich Klarheit über den Zeitpunkt einer erneuten Anhebung der Zentralbankzinsen. Einige Experten jedoch warnen vor übersteigerten Erwartungen in Bezug auf konkrete Hinweise.
Nach einer Reihe hawkisher Kommentare seitens mehrerer Fed-Beamter in den vergangenen zwei Wochen warten die Märkte nun auf die Einschätzung der Lage durch Yellen selbst.
Einige Analysten behaupten, die Fed-Vorsitzende sollte sich davor hüten, sich auf eine bestimmte Zeitlinie festzulegen und nennen fünf Gründe, warum sie Einzelheiten vermeiden, einfach die Tür für eine Anhebung der Zinsen im September offen lassen und dabei alles von Daten abhängig machen sollte.
1. Das Thema weichte von akuten Sorgen ab
Die Rede um 14:00 Uhr GMT oder 10:00 Uhr ET trägt den Titel „Geldpolitischer Toolkit der Federal Reserve Bank“.
„Wir erwarten keine Einsichten in die Zeitpläne bezüglich der nächsten Zinsanhebung,“ so Wirtschaftswissenschaftler von Bank of America Merrill Lynch in einer Vorabmitteilung an ihre Kunden. Vielmehr dürfte die Fed-Chefin beim Thema bleiben und sich mehr auf die neutrale Zinsrate, R*, konzentrieren.
„Der Markt hofft auf mehr Informationen und Erklärungen nicht nur zur langfristigen, sondern zu gegenwärtigen Geldpolitik,“ so Managing Director von JP Morgan Asset Management Priscilla Hancock in einem Interview mit CNBC.
„Eine Enttäuschung ist sehr wahrscheinlich,“ sagte Hancock und empfahl, „nicht zu viel von Janet zu erwarten.“
2. In einem Monat kann viel zu viel passieren
Moody’s Analytics spielten die Möglichkeit von Hinweisen in Bezug auf die Zinsrate ebenfalls herunter.
„Zwischen dem Symposium und dem nächsten FOMC-Treffen liegt fast ein ganzer Monat. Für die Fed ist es eine Ewigkeit, in der einfach viel passieren kann.“
3. Arbeitsmarktberichte könnten die Wende herbeiführen
Viele Analysten sind der Ansicht, die datenabhängige Fed würde sich nach dem Arbeitsmarktbericht für August richten, der erst nach der Rede Yellens am 2. September veröffentlicht wird.
„Ein weiterer starker Bericht im August würde das Vertrauen der FOMC-Mitglieder weiter stärken,“ so RBS.
„Ein weiterer optimistischer Bericht zu Beschäftigtenzahlen wäre ein starkes Argument für eine Anhebung der Zinsen im September,“ stimmt auch BMO Capital Markets zu.
Der Deutschen Bank zufolge „spielen die Beschäftigtenzahlen eine größere Rolle als die Rede in Jackson Hole.“
4. Fed richtet sich nach der Inflation
Morgan Stanley ist allerdings der Ansicht, dass „Inflation der Schlüssel für zukünftige Zinsanhebungen ist.“
Die Kern-PCE (Personal Consumption Expenditures)-Inflation lag im Juni bei 1,6 Prozent und die Daten für Juli werden wohl einen Rückgang auf 1,5 Prozent belegen. Damit entfernt sich der Wert immer weiter von der angestrebten 2-Prozent-Marke,
Diese Daten werden ebenfalls erst nach der Rede am 29. August veröffentlicht.
5. Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
Im Dezember verkündete die Fed vier Zinsanhebungen in 2016.
Einige Fed-Beamte übten Kritik an den Märkten und bestanden darauf, dass die Anhebungen zu pessimistisch veranschlagt wurden. Der erschütternde Arbeitsmarktbericht für Mai und die überraschende Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen, sorgte allerdings für Ernüchterung.
„Das Verfolgen der Geldpolitik der Fed hat sich zu einer anstrengenden Aufgabe entwickelt,“ schreibt Analytiker der Lindsey Group Peter Boockvar.
„Wir wurden in so viele unterschiedliche Richtungen geführt, nur um an der Nase herumgedreht zu werden. Bis ich wirklich handfeste Schritte sehe, habe ich keine Geduld dafür, mir ihre Kommentare anzuhören,“ fügte er hinzu.
Eine zunehmende Anzahl der Analysten und Händler haben das Gefühl, dass die Fed an Glaubwürdigkeit verliert.
Barclays-Wirtschaftswissenschaftler Michael Gapen schreibt in einer Vorschau für die Rede, dass „Anleger in Frage stellen, ob Yellen jemals Daten sehen wird, die eine Anhebung der Zinsen rechtfertigen.“
„Ich glaube, sie selbst hat ein Glaubwürdigkeitsproblem,“ so Gapen.
Vor diesem Hintergrund wird die Fed-Chefin es vermeiden wollen, sich auf einen Termin festzulegen, nur um dann wieder zurückrudern zu müssen.
Die Märkte akzeptieren die Möglichkeit einer Anhebung pro Jahr.
Dem Fed Rate Monitor Tool von Investing.com zufolgen stehen die Chancen für eine Zinsanhebung im September im Vorfeld der Rede bei 27 Prozent.
Für November werden 31,6 Prozent und für Dezember 54,4 Prozent eingeräumt.
Der US-Dollar-Index, der die Performance des Greenbacks an den sechs anderen Hauptwährungen misst, rutschte um 07:15 Uhr GMT oder 03:15 Uhr ET 0,07 Prozent auf 8830. Gold zur Lieferung im Dezember an der Comex-Abteilung der New York Mercantile Exchange steigt um 0,23 Prozent oder 3,05 $ auf 1.327,65 $.
US-Futures sind flach, die Anleger halten sich vor dem Event zurück. Um 07:17 Uhr GMT oder 03:17 Uhr ET fiel Dow um 5 Punkte oder 0,03 Prozent, S&P 500 um 1 Punkt oder 0,03 Prozent und der Nasdaq 100 um 2 Punkte oder 0,04 Prozent.