- von Andreas Rinke und Matthias Sobolewski
Berlin (Reuters) - Bei der milliardenschweren Reform der Bund-Länder-Finanzen haben Kanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der Länder weitere Steine aus dem Weg geräumt.
Merkel sprach nach einer nächtlichen Verhandlungsrunde am Freitagmorgen von einem "Riesenschritt". So wird im Grundgesetz geregelt, dass der Bund den Bau, die Planung und den Betrieb der Autobahnen unter seine Regie nimmt, diese aber nicht an private Geldgeber verkaufen darf. Vertreter von Ländern und Gemeinden zeigten sich über den Kompromiss erfreut. Dieser bahnt den Weg für die bereits verabredete Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs ab 2020. Gestritten wird jedoch weiter über Verbesserungen beim Unterhaltvorschuss an Alleinerziehende.
Merkel und die Ministerpräsidenten hatten sich Mitte Oktober grundsätzlich auf eine Neuordnung der innerstaatlichen Finanzströme nach dem Auslaufen des Solidarpakts II und des jetzigen Länderfinanzausgleichs geeinigt: Der Bund zahlt ab dem kommenden Jahrzehnt 9,5 Milliarden Euro mehr an die Länder, um gleiche Lebensverhältnisse sicherzustellen. Im Gegenzug soll er mehr Mitsprache- und Kontrollrechte bei der Verwendung des Geldes bekommen. Außerdem sollen einige Aufgaben wie die Zuständigkeit für die Autobahnen neu verteilt werden.
Bei der konkreten Formulierung der Grundgesetzänderungen und anderer Gesetze kam es erneut zum Streit, den die Spitzenrunde weitgehend beilegen konnte. Die Gespräche seien "fair, ehrlich und hart" gewesen, sagte Merkel. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Seelering (SPD) bezeichnete es allerdings als bedauerlich, dass es keine Einigung beim Unterhaltsvorschuss gab. Bisher springt der Staat bei säumigen Elternteilen nur bis zum zwölften Lebensjahr ein. Künftig soll die Grenze bei 18 Jahren liegen. Von den Kosten trägt der Bund bisher ein Drittel, die Länder wollen ihn aber auf zwei Drittel hochhandeln, was einige hundert Millionen Euro kosten würde. Merkel sprach von Feinheiten, die noch geklärt werden müssten.
SORGE VOR ZENTRALISMUS
Die Länder hatten befürchtet, dass der Bund mit den Reformen seine Kompetenzen zu ihren Lasten ausweitet. Es sei gelungen, eine zu tiefgreifende Änderung der Zuständigkeiten zu verhindern, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU). Zugleich habe man aber geschafft, die Strukturen von Bund und Ländern etwa bei der Finanzverwaltung und der Digitalisierung besser zu vernetzen. Investitionen in die Infrastruktur würden durch die stärkere Zuständigkeit des Bundes für das Autobahnnetz erleichtert. Für die bisherigen Beschäftigten der Bundesländer in dem Bereich wurden Arbeitsplatz- und Standortgarantien vereinbart.
Für die hoch verschuldeten Länder Saarland und Bremen wurde beschlossen, dass sie zusätzliche Hilfen von je 400 Millionen Euro im Jahr zur Einhaltung der Schuldenbremse, Tilgung von Schulden und zur Wirtschaftsförderung ausgeben sollen. Der Bund darf die Kommunen zudem künftig ohne den Umweg über die Länder bei der Bildung unterstützen. Dazu legt er ein Schulsanierungsprogramm in Höhe von 3,5 Milliarden Euro auf, das über einen Nachtragshaushalt finanziert wird.
Der Deutsche Städtetag erklärte, ein Teil des Geldes für die Länder müsse auch den Kommunen zugutekommen, bei denen es einen gewaltigen Investitionsstau gebe. Der Städte- und Gemeindebund sprach von einer guten Lösung, der Landkreistag warnte jedoch vor einer Zentralisierung.
Sellering sagte, vor einem Beschluss der Grundgesetzänderungen in Bundestag und -rat müssten alle offenen Punkte geklärt werden. "Das ist ein Paket." Das Bundeskabinett will die Reform möglichst in der kommenden Woche auf den Gesetzesweg bringen.