Im Europaparlament haben Vertreter aller maßgeblichen Fraktionen vor einer Einstufung Chinas als Marktwirtschaft gewarnt, weil dies ihrer Überzeugung nach den Kampf gegen chinesische Dumping-Importe noch zusätzlich erschweren würde. Allein in der europäischen Stahlindustrie fürchteten Hunderttausende von Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze, sagte der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary.
"China ist keine Marktwirtschaft", betonte auch der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pittella. Der unlautere Wettbewerb durch chinesische Importe gefährde die gesamte europäische Industrie und damit Millionen von Arbeitsplätzen.
Mehrere Abgeordnete warfen dem Rat der 28 EU-Staaten vor, seit mehr als zwei Jahren eine geplante Reform zur Modernisierung der Handelsschutzmechanismen zu blockieren. "Wir brauchen ein scharfes Schwert gegen den Missbrauch", forderte der SPD-Politiker Bernd Lange. Der Rat müsse endlich seinen Widerstand aufgeben.
Länder wie Großbritannien sperrten sich gegen wirksame Anti-Dumping-Instrumente, weil sie "Angst vor China haben", kritisierte der französische Grüne Yannick Jadot. Auch der Kommissar für Lebensmittelsicherheit, Povilas Andriukaitis, kritisierte die EU-Staaten. Der Rat sei bisher nicht in der Lage gewesen, sich auf neue Regeln zum Handelsschutz zu einigen. Angesichts der Überkapazitäten, etwa der chinesischen Stahlindustrie, benötige die EU aber "wirksame Waffen".
Im Namen des amtierenden niederländischen Ratsvorsitzes sagte Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert, das Thema Handelsschutz stehe auf der Tagesordnung des Treffens der EU-Außenminister am Freitag. "Der Rat muss sich nun einig werden."
Während der mehrstündigen Debatte demonstrierten vor dem Europaparlament an die hundert Beschäftigte der saarländischen Stahlindustrie. Chinesische Dumping-Exporte gefährdeten in der EU 330.000 Arbeitsplätze, warnte die Gewerkschaft IG Metall auf einem Flugblatt. Chinesischer Stahl werde in Europa zu "unrealistisch niedrigen Preisen" angeboten. Dadurch sei der Stahlpreis um 28 Prozent gesunken.
Bislang ist China nach offizieller Einschätzung der EU keine Marktwirtschaft. Dies ermöglicht höhere Schutzzölle auf Einfuhren von Stahl und von anderen Produkten aus dem Land. Grundlage dafür sind Übergangsregeln, die beim Beitritt der Volksrepublik zur Welthandelsorganisation (WTO) vor 15 Jahren vereinbart worden waren. Diese Übergangsregeln laufen im Dezember aus. Bis dahin muss die EU entscheiden, ob sie China den Marktwirtschaft-Status zuerkennt, wie es die Regierung in Peking fordert.