Paris/Berlin (Reuters) - Die Unterstützung für die Fortsetzung der Verhandlungen über das TTIP-Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA schwindet weiter.
Nach Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gab am Dienstag auch Frankreich das Abkommen de facto auf. Präsident Francois Hollande sagte, er halte gegenwärtig keine Vereinbarung bis zum Jahresende für möglich. Die Gespräche seien festgefahren und zu unausgewogen. Das Land will nun im September bei der EU formell ein Ende der Verhandlungen beantragen. Gabriel machte die US-Regierung für das Scheitern verantwortlich: "Ich glaube, dass die Amerikaner TTIP aktiv beendet haben." Nicht einmal auf EU-Mindestforderungen sei en sie eingegangen. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström akzeptierte das Aus jedoch ebensowenig wie die US-Regierung: "Viele Staaten haben uns heute kontaktiert, Fragen gestellt und gesagt, dass sie Frankreich nicht zustimmen", sagte sie.
Die USA und die EU verhandeln seit drei Jahren über das Freihandelsabkommen, das gemeinsame Produkt-Standards festlegen und Zölle abschaffen soll. Umwelt- und Verbraucherschützer aber auch Gewerkschaften fürchten allerdings, dass europäische Standards dem Vertrag und reinen Konzerninteressen geopfert werden könnten. Aber auch in den USA gibt es Skepsis. Dort wird im November gewählt, in Deutschland und Frankreich 2017.
SPD-Chef Gabriel sagte, er könne nicht sagen, ob es nach den US-Wahlen noch eine Chance für TTIP gebe, davor jedenfalls nicht. Aber auch bei späteren, neuen Verhandlungen müsse die EU aus seiner Sicht ein verändertes Mandat bekommen, da die USA derzeit verschiedene Aspekte aus dem Abkommen von vornherein ausgeklammert hätten. Gabriel war mit seinen Äußerungen in der deutschen Wirtschaft und der Union auf Kritik gestoßen, auch Kanzlerin Angela Merkel war auf Distanz zum Vize-Kanzler gegangen.
USA MACHEN WEITER BEWEGUNG IN GESPRÄCHEN AUS
Auch ein Sprecher des US-Handelsbeauftragten Michael Froman machte keine festgefahrenen Gespräche aus: "Die Verhandlungen machen in Wahrheit ständige Fortschritte", sagte er dem "Spiegel". "Es liegt in der Natur von Handelsgesprächen, dass nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist. Insofern ist es nicht im Geringsten überraschend, dass einzelne TTIP-Kapitel noch nicht förmlich beschlossen worden sind."
Aber auch in Europa zeigte sich mit Italien ein großes Industrieland zuversichtlich: "TTIP wird vereinbart, das ist unausweichlich", sagte Handels- und Industrieminister Carlo Calenda. Im "Corriere della Sera" räumte er jedoch ein, es werde schwer, dieses bis zum Ende der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama im Januar zu erreichen. Großbritannien wiederum, das besonders großes Interesse an TTIP hatte, fällt als Stimme in Europa nicht mehr ins Gewicht, da es im Juni in einer Volksabstimmung für einen EU-Austritt gestimmt hatte.
Frankreichs Handels-Staatssekretär Matthias Fekl kündigte im Rundfunk an, sein Land werde bei den EU-Partnern noch im September ein formales Ende der Verhandlungen beantragen. "Es sollte ein absolut eindeutiges Ende geben, damit wir einen Neustart auf einer guten Grundlage hinbekommen." Gabriel sprach sich allerdings dagegen aus, den Gesprächsfaden formal zu kappen. Das mache man nicht mit der Türkei, nicht mit Russland und solle man auch mit den USA nicht tun, sagte er.