Frankfurt (Reuters) - Für einige Schwellenländer kann eine Zinsanhebung in den USA EZB-Vizechef Vitor Constancio zufolge eine Gefahr bedeuten.
Eine geldpolitische Straffung der Federal Reserve "könnte sich auf manche Schwellenländer negativ auswirken," warnte Constancio am Dienstag in Frankfurt. Insgesamt sei es aber "eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft", wenn die Fed einen Zinsschritt für gerechtfertigt halte. Denn dies bedeute, dass die weltgrößte Volkswirtschaft in guter Verfassung sei, sagte der Vizechef der Europäischen Zentralbank (EZB). Es ist sehr selten, dass sich Notenbanker über die Geldpolitik in anderen Regionen äußern.
Die Fed hatte im Dezember erstmals seit fast zehn Jahren ihre Leitzinsen wieder erhöht. Seitdem liegt in den USA der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld zwischen 0,25 und 0,5 Prozent. Viele Marktteilnehmer hatten sogar schon für September mit der US-Zinswende gerechnet. Doch Sorgen vor einer Abkühlung der Wirtschaft in China und in anderen Schwellenländern ließen Fed-Chefin Janet Yellen damals den lang erwarteten Schritt hinauszögern. Die nächste Zinsentscheidung der Fed steht Mitte Juni an. Am Markt wird aktuell die Wahrscheinlichkeit, dass die Dollar-Wächter die Zinszügel dann erneut anziehen, nur auf 30 Prozent taxiert. Zuletzt hatten allerdings einige US-Notenbanker Spekulationen auf eine baldigen Schritt genährt.
In der Euro-Zone dürfte die Phase der ultralockeren Geldpolitik hingegen noch weiter anhalten. Erst im März hatte die EZB alle drei Leitzinsen gesenkt - den Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld dabei erstmals auf 0,0 Prozent. Es sei zu früh, damit zu beginnen, über weitere Maßnahmen nachzudenken, sagte Constancio nun der Nachrichtenagentur Reuters. "Lasst uns sehen, was die Wirkungen sind. Diese Art von Schritten benötigt Zeit und einige sind sogar noch nicht umgesetzt." Unter anderem will die EZB Banken ab Juni langfristige Kredite zum Nulltarif anbieten. Zudem will sie bald auch Firmenanleihen in ihr großes Anleihenkauf-Programm aufnehmen, dessen Umfang mittlerweile auf insgesamt 1,74 Billionen Euro angelegt ist.
Constancio stellte den neuen EZB-Bericht zur Finanzstabilität im Währungsraum vor. Danach sind die Risiken für die Stabilität der Finanzwirtschaft in den vergangenen sechs Monaten gestiegen. Zwar sei der systemische Stress in der Euro-Zone weiterhin eingedämmt geblieben. Die EZB wies aber auf vier Gefahren für die nächsten zwei Jahre hin: Weitere Turbulenzen an den Finanzmärkten, anhaltend schwache Gewinne bei Banken und Versicherern, eine übermäßige Staatsverschuldung und ein wachsender Schattenbankensektor. Die EZB veröffentlicht halbjährlich einen Bericht zur Lage des Finanzwirtschaft in der Euro-Zone.