In der VW-Affäre hat der ehemalige EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) Vorwürfe zurückgewiesen, mit einer zu industriefreundlichen Politik Tricksereien bei Abgastests ermöglicht zu haben. Die EU-Vorschriften seien schon während seiner Amtszeit von 2004 bis 2010 "eindeutig" gewesen, sagte Verheugen am Dienstag vor einem Untersuchungsausschuss im EU-Parlament. Es gehe deshalb um einen "klassischen Fall von Betrug".
Zwar hätten in der damaligen Kommission Wachstum und Beschäftigung "eindeutig die Priorität" gehabt, sagte Verheugen in Brüssel. Es habe aus seiner Sicht aber "keinen naturgegebenen Zielkonflikt" zwischen Industrie- und Umweltpolitik gegeben.
Den Vorwurf der Kungelei mit den Autobauern wies Verheugen klar zurück. "Es war nicht meine Aufgabe, etwas für die Industrie zu tun, sondern etwas für die Bürger zu tun", sagte der Ex-Kommissar. Er selbst habe sich damals auf die Angaben seiner Fachleute in der Kommission verlassen müssen. Bis heute habe er aber keinen Anlass, an deren Objektivität zu zweifeln.
Überprüfungen von VW-Dieselfahrzeugen in den USA hatten im vergangenen Jahr ans Licht gebracht, dass Abgastests manipuliert worden waren. Mit Hilfe einer speziellen Software wurden im Testbetrieb deutlich weniger gesundheitsschädliche Stickoxide gemessen als im normalen Fahrbetrieb. Volkswagen (DE:VOWG) zufolge wurde die Software weltweit in rund elf Millionen Diesel-Fahrzeuge eingebaut.
Während seiner Amtszeit habe es "nicht den geringsten Hinweis" gegeben, dass Autobauer sogenannte Abschaltvorrichtungen nutzten, um die Emissionswerte von Fahrzeugen zu schönen, sagte Verheugen vor den Abgeordneten. Er verwies dabei auch auf die Verantwortung der Mitgliedstaaten, verabschiedetes EU-Recht auf nationaler Ebene durchzusetzen und seine Einhaltung zu überwachen.
Die Grünen-Abgeordnete Cornelia Ernst warf Verheugen vor, damit von seiner eigenen Verantwortung ablenken zu wollen. Er habe "die Interessen der Auto-Lobbyisten unterstützt" und bei der Überwachung der Umsetzung europäischer Bestimmungen versagt.
Für die konservative EVP-Fraktion hat Verheugens mehr als zweistündiger Auftritt im Parlament "keine Klarheit" in die VW-Affäre gebracht. Da er der "Vater" der in der Abgasaffäre problematischen Gesetzgebung gewesen sei, müsse er "mehr Antworten geben", erklärte der EVP-Ausschusssprecher Krisjanis Karins. Die Parlamentarier seien mit Verheugen "noch nicht fertig".
Verheugen hatte sich zunächst geweigert, vor dem Parlamentsausschuss zu erscheinen. Er verwies am Dienstag auf juristische Gründe für sein "Zögern". Er sei sich zunächst nicht sicher gewesen, ob er als ehemaliges Mitglied heute für die Kommission sprechen dürfe. Er verlas nun zunächst eine mit der heutigen Kommission abgestimmte Erklärung, bevor er auf Fragen antwortete.