London (Reuters) - Großbritanniens Wirtschaft büßt vor der Volksabstimmung über einen EU-Austritt des Landes Tempo ein.
Das Bruttoinlandsprodukt stieg von Januar bis März nur noch um 0,4 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistikamt am Donnerstag in London mitteilte und so eine erste Schätzung von Ende April bestätigte. Im Schlussquartal 2015 hatte die Wirtschaft auf der Insel noch um 0,6 Prozent zugelegt. Unsicherheit über die Folgen eines "Brexit" sorgen bereits dafür, dass Firmen das eine oder andere Projekt in der Schublade lassen. Die Unternehmensinvestitionen sanken binnen Jahresfrist um 0,4 Prozent und damit erstmals seit drei Jahren.
Die Briten stimmen am 23. Juni darüber ab, ob das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union (EU) bleiben soll oder nicht. Laut einer aktuellen Umfrage gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern des sogenannten Brexit. Regierungschef David Cameron hatte jüngst mit drastischen Worten vor den wirtschaftlichen Folgen eines EU-Austritts gewarnt und ihn als "Option zur Selbstzerstörung" bezeichnet. Finanzminister George Osborne warf die Frage auf: Können wir bewusst für eine Rezession stimmen?" Einer Regierungsstudie zufolge könnten mindestens eine halbe Million Arbeitsplätze wegfallen, sollte das Land die EU verlassen.
DIENSTLEISTER MIT SCHWUNG - INDUSTRIE UND BAU SCHWÄCHELN
Auch Zentralbankchef Mark Carney warnte zuletzt davor, dass ein "Brexit" kurzfristig für viel Verunsicherung sorgen dürfte. Die Währungshüter hatten jüngst ihre Wachstumsprognose 2016 für die britische Wirtschaft auf 2,0 von 2,2 Prozent gesenkt. Im ersten Quartal schoben die Verbraucher mit ihren Ausgaben des Wachstum an: Der private Konsum stieg um 0,7 Prozent zu. Die für Großbritannien so wichtigen Dienstleister, zu denen auch die Finanzbranche zählt, legten um 0,6 Prozent zu. Industrie und Bau hingegen produzierten weniger als im Vorquartal.
Der mögliche "Brexit" hält derzeit Wirtschaft und Politik in ganz Europa in Atem. Vertreter der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten kamen Insidern zufolge zu einem vertraulichen Treffen zusammen. Thema der Sitzung am Montag sei gewesen, wie man in den ersten Stunden nach einem Ja beim Referendum vorgehen würde, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von mehreren mit dem Vorgang vertrauten Personen.