Die Stimmung ist prächtig an der Wall Street: der S&P 500 kletterte jüngst auf ein neues Rekordhoch und der Dow Jones nähert sich dessen an. Der Fed sei Dank, die mit der Aussicht auf weiterhin billiges Geld die Aktienmärkte nach oben trieb.
Es besteht also kein Grund zur Sorge über eine mögliche Korrektur oder gar einen Crash, der die Welt in die größte Krise seit 2008 stürzen könnte - oder vielleicht doch?
Die Warnungen, die der Markt aktuell ausgibt, sind teilweise apokalyptisch. Insgesamt lässt sich das in vier apokalyptische Reiter zusammenfassen, die ein mögliches Unheil am Aktienmarkt verkörpern.
Der längste Bullenmarkt der Geschichte könnte daher bald zu Ende gehen.
Der erste apokalyptische Reiter
Ein Großteil der US-Zinsstrukturkurve ist mittlerweile invertiert, genauer gesagt 60 Prozent. So stark war sie zuletzt nur vor dem Platzen der Dotcom-Blase und der globalen Finanzkrise invertiert.
Wenn man etwas tiefer in die Zinskurve zoomt, ist zu erkennen, dass die dreimonatige mit der fünfjährigen Rendite nun mehr als 100 Tage invertiert ist. Die Anleger fürchten also eine Konjunkturschwäche und schichten ihr Geld in länger laufende Zinspapiere um und drücken damit deren Renditen unter die Kurzläufer.
Campbell R. Harvey, Finanzprofessor an der amerikanischen Duke University, untersuchte in seiner Dissertation 1986 die Zusammenhänge zwischen der US-Zinsstrukturkurve und einer möglichen Rezession.
Basierend auf seinen Untersuchungen droht die USA innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate in eine Rezession zu stürzen, wenn sich die US-Zinsstrukturkurve invertiert. Drei der letzten sechs Rezessionen hat er damit perfekt vorgesehen.
Präziser ist da nur die Zinskurve der dreimonatigen und zehnjährigen US-Rendite, die jede Rezession in den letzten 50 Jahren vorhergesagt hat und mittlerweile knapp einen Monat dauerhaft invertiert ist.
Eine Inversion der Zinskurve gilt als zuverlässiges Signal für eine heraufziehende Rezession, sofern sie für 3 Monate invertiert bleibt. Im Durchschnitt kam es 311 Tage später zu einer Rezession in den USA.
Beide Kurven signalisieren also ein mögliches Rezessionsszenario für die US-Wirtschaft.
Auch der Eurodollar-Future, der die Markterwartungen an die Zinssätze für dreimonatige Eurodollar-Einlagen zu festgelegten Terminen in der Zukunft widerspiegelt, deutet mit seiner jüngsten Rallye auf Ungemach für die Aktienmärkte hin.
Hinweis: Bitte verwechseln Sie den Eurodollar-Future nicht mit dem Währungspaar Euro/US-Dollar. Das hat damit nichts zu tun. Beim Eurodollar handelt es sich auf US-Dollar lautende Bankeinlagen, die bei nicht US-Banken liegen, also außerhalb der USA.
Im unten stehenden Chart habe ich drei markante Bereiche markiert. Immer dann, wenn der Eurodollar-Future dynamisch nach oben ging und die Fed mit Zinssenkungen versucht hat, den Markt zu stabilisieren oder die Wirtschaft auf Kurs zu halten, schmierte der S&P 500 ab.
Auch jetzt ist der Eurodollar-Future wieder spürbar angezogen und könnte bei dem Beginn eines neuen Zinssenkungszykluses der Fed weiter anziehen. Das dürfte den S&P 500 auf mittlere Sicht gar nicht schmecken.
Denn eine Annäherung oder gar Kreuzung des S&P 500 mit dem Eurodollar-Future war in der Vergangenheit ein bärisches Signal. Allgemein waren stark steigende Phasen des Eurodollar, also sinkende Zinsen, ein negatives Signal für den Aktienmarkt.
Und das womöglich mehr als nur eine Zinssenkung durch die Fed kommt, spiegelt auch die Kurve des 3-Monats-LIBOR auf Basis des Eurodollar-Futures wieder, die als gute Referenz dafür gilt, wo die Marktteilnehmer die kurzfristigen Zinsen sehen.
Die Berechnung des 3-Monats-LIBOR auf Basis des Eurodollar-Futures erfolgt so: 100-(Kurs des jeweiligen Kontraktmonats des Eurodollar-Future). Die Kurse für den Eurodollar-Future sind auf der Seite der CME Group kostenlos einsehbar.
Der zweite apokalyptische Reiter
Der Kupferpreis befindet sich seit Mitte April im freien Fall und fiel seit dem gut 10 Prozent. Warum ist der Preis für Kupfer aber so relevant?
Kupfer gilt als Frühindikator für die Entwicklung der Weltwirtschaft, weshalb das Metall auch Dr. Copper genannt wird. Steigende Preise stehen für eine gesunde Weltwirtschaft, fallende Preise sind hingegen ein Anzeichen für ein drohendes Ungemach.
Sobald die Wirtschaft nicht mehr rund läuft, können zyklische Unternehmen ihre Gewinne nur noch schwierig steigern. Das dürfte die Aktienkurse über kurz oder lang belasten.
Ende 2018 ging es bereits schon einmal abwärts für das rote Metall, das vor allem in in der Auto- und Elektroindustrie eingesetzt wird. In der Konsequenz gaben die Notierungen des S&P 500 deutlich nach.
Und das gleiche gilt für Juni 2018, als Kupfer massiv unter die Räder kam. Mit etwas Verzögerung kam es dann auch im Oktober zum großen Kursrutsch an der Wall Street.
Der dritte apokalyptische Reiter
Nur Gewinne oder die Aussicht auf Gewinne treiben die Aktienkurse tatsächlich und nachhaltig an.
Wie FactSet am Wochenende in einer Kundennotiz berichtete, liegt der geschätzte Gewinnrückgang für das zweite Quartal beim S&P 500 bei 2,6 Prozent. Wenn es tatsächlich zu einem Gewinnrückgang kommt, wäre dies das erste Mal seit dem ersten und zweiten Quartal 2016, dass die Gewinne von Unternehmen, die im marktbreiteren Index gelistet sind, zurückgehen.
Und auch für das dritte Quartal sind die Analysten skeptisch. Im Jahresvergleich wird im dritten Quartal ein Gewinnrückgang von -0,3 Prozent prognostiziert.
Hauptverantwortlich für die rückläufigen Gewinne im S&P 500 für das dritte Quartal sind die Bereiche Energie (-13,5 Prozent) und Informationstechnologie (-9,3 Prozent), während die anderen 9 Sektoren einen Gewinnanstieg vermelden dürften.
Besorgniserregender als der Gewinnrückgang selbst ist nur die massive Divergenz zwischen den Gewinnaussichten und den Notierungen des S&P 500.
Das macht den S&P 500 anfällig für eine Korrektur, die den Großteil der Gewinne der letzten Zeit ausradieren dürfte. Denn wenn viele Unternehmen keine Gewinne einfahren und die Bewertungen bereits exorbitant hoch sind, dann könnte bereits der kleinste Stolperstein die Wall Street aus der Bahn werfen.
Der vierte apokalyptische Reiter
Das es mit der Weltwirtschaft bergab geht, ist nicht nur ein Gefühl, sondern Realität. Das unterstreicht der von JP Morgan erhobene globale Einkaufsmanagerindex, der im Mai unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten gerutscht ist.
Indexwerte über 50 signalisieren eine positive Geschäftsentwicklung der Einkaufsmanager aus dem verarbeitenden und dienstleistenden Gewerbe im Vergleich zum Vormonat, während bei einem Fall unter 50 mit einer negativen Geschäftsentwicklung zu rechnen ist.
In den vom Kevin Ludolph von Crescat Capital zur Verfügung gestellten Chart, sehen wir eine weitere exorbitante Divergenz zwischen dem PMI und dem S&P 500 Index. Eine stärkere Korrektur am Aktienmarkt, die ihn wieder etwas näher an den globalen PMI zurückbringt, wäre daher nicht überraschend.
Das eine Wachstumsverlangsamung im vollen Gange ist, unterstreicht auch der Index der wirtschaftlichen Frühindikatoren (LEI), der vom Conference Board in New York erhoben wird und per Berichtsmonat Mai auf 111,8 Punkte stagnierte.
"Nach drei Monaten in Folge mit Zuwächsen blieb der LEI im Mai unverändert", sagte Ataman Ozyildirim, Direktor für Wirtschaftsforschung beim Conference Board.
Der Aufschwung geht nun in sein elftes Jahr und ist damit der längste in der Geschichte. "Der LEI signalisierte jedoch im Mai, dass sich das Wachstum gegen Ende des Jahres in Richtung 2 Prozent verlangsamen könnte", so Ozyildirim.
Der LEI gilt als Frühindikator, mit dem Börsenprofis herausfinden, wohin die Wirtschaft in den kommenden Monaten steuert. Er besteht sowohl aus nichfinanziellen Indikatoren wie den durchschnittlichen Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe und den Auftragseingängen, als auch aus finanziellen Indikatoren wie den Aktienkursen und dem Spread der zehnjährigen US-Rendite zur Fed Funds Rate.
In der Vergangenheit erwies sich der LEI als guter Indikator, um wirtschaftliche Auf- und Abschwünge zu erkennen.
Fazit:
Da eine schnelle Lösung im Handelskonflikt unwahrscheinlich ist, dürften sich die vier o.g. apokalyptische Reiter in den nächsten Wochen wahrscheinlich noch verstärken.
Zinssenkungen durch die Fed mögen zwar anfänglich hilfreich für den Aktienmarkt sein, aber später werden sie zu einer Belastung. Vor allem der Grund für niedrigere Zinsen ist wichtig: senkt die Fed die Zinsen als Präventivmaßnahme oder ist das der Beginn eines nachhaltigen Zinssenkungszykluses? Glaubt man den marktbasierten Erwartungen, so handelt es sich um letzteres - und das war für den Aktienmarkt in der Vergangenheit keine Geschichte aus denen neue Rallyes entstanden sind.
Und ohne ein neues Kaufprogramm der Fed oder MMT (Modern Monetary Theory), also Helikoptergeld, werden die Aktienmärkte mit großer Wahrscheinlichkeit nicht weiter so dynamisch steigen.