Analyse - Trumps Ideologie und Wirtschaftspolitik

Veröffentlicht am 22.04.2025, 18:36

Trump- der im politischen sowie ökonomischen Kontext vermutlich am häufigsten benutzte Name der letzten Wochen und Monate. Ein Ideologe, der jede Woche mit neuen, undenkbaren Aussagen und Maßnahmen polarisiert und dabei nicht nur bestehende Handelsbeziehungen auf die Probe, sondern das gesamte gegenwärtige Finanzsystem in Frage stellt. Es ist die Macht der vermeidlichen Unberechenbarkeit des US-Präsidenten, die Impulsivität, welche er als Strategie, als den Teil eines weitreichenden Plans bezeichnet. An den Börsen bezeichnen die Einen das Zollchaos als vorübergehend und die einmalige Chance, um billig nachzukaufen. Währenddessen interpretieren die Anderen die aktuellen Entwicklungen als den Anfang einer kompletten Neustrukturierung des auf US-Dollar fundierten Finanzsystems. Was ist Donald Trumps Plan? Was sind seine tiefen Überzeugungen? Und wie "unvorhersehbar" sind seine Schritte wirklich? Mit diesen Fragen hat sich das Economy Global-Team die letzten Wochen intensiv beschäftigt, um es Ihnen heute in einer großen Makro-Analyse fachgerecht aufzubereiten.

"A User´s Guide to Restructuring the Global Trading System"

Der Titel ist nicht etwa ein Vorschlag eines wildfremden Experten, sondern der Name eines Strategiepapiers, welches mutmaßlich aus der Feder von Stephen Miran, einem Ex-Berater des US-Finanzministeriums, stammt. Es ist als inoffizielles, aber hochstrategisches Konzeptpapier zu verstehen und wurde zuerst von ZeroHedge zitiert und später von der Financial Times kommentiert. Und genau dieses Paper soll als theoretische Grundlage für Donald Trumps gegenwärtige und künftige Wirtschaftspolitik dienen.

Hudson Bay Capital
Quelle: A User´s Guide to Restructuring the Global Trading System- Hudson Bay Capital

Das Paper, welches auf 38 Seiten eine komplette Umstrukturierung des globalen Finanzsystems vorschlägt, umfasst drei ganz elementare Säulen, welche Donald Trump immer wieder in seinen politischen Aussagen auffasst.

Grundidee / Ideologie

Die Kernthese ist, dass die USA ihre Rolle als Weltwirtschaftsmacht und den Status des US-Dollars als Weltreservewährung bewusst infrage stellen – sogar teilweise abschaffen wollen – um damit eine Reindustrialisierung und langfristige Stabilisierung zu ermöglichen.

Die Ideologie, dessen Funktionsweise und ökonomischen Wahrheitsgehalt wir im Laufe der Analyse noch weiter untersuchen werden, ist wie folgt. Der US-Dollar ist die globale Reservewährung. Dies führt dazu, dass ein Großteil der Länder Dollar hortet und somit eine künstliche Dollar-Nachfrage herbeiführt. Der daraus resultierende überbewertete Dollar führt zu einer Deindustrialisierung Amerikas, da Importe billiger werden und die lokale Produktion verdrängen. Trump sowie Stephen Miran sind der Meinung, dass das Ausland die USA ausbeutet und durch die beabsichtigte Aufwertung des US-Dollars wettbewerbsunfähig macht. Das amerikanische verarbeitende Gewerbe wird dezimiert und erzeugt ein unmittelbares Sicherheitsrisiko. Denn wenn ein Land kein verarbeitendes Gewerbe hat, kann es auch trivialerweise keine Panzer oder andere sicherheitsnotwendigen Güter produzieren.

1. "Tariffs"

Nachdem wir die Grundideologie (ohne Bewertung) aufgrund des Papiers sowie systematischer Aussagen Trumps kennen, gilt es nun, einen Blick auf die in dem Paper beschriebene Methodik zu werfen. Das erste zentrale Element des Papers sind die Zölle. Es ist das medial präsenteste Thema und zielt darauf ab, die heimische Industrie zu schützen und die Produktion wieder ins Inland zurückzuholen. Die Zollpolitik ist in dem Strategiepapier besonders gegen China gerichtet, um den Importdruck zu senken. Hintergrund ist, dass ein Großteil der US-Importe chinesische Güter umfasst und jene die einheimische US-Produktion vom eigenen Markt verdrängen.

Diese Ideologie ist nicht etwa eine neu entstandene Ansicht, sondern hat sich schon in der ersten Amtszeit von Trump in seinen wirtschaftspolitischen Zielen widergespiegelt. Schon damals gab es Zölle auf chinesische Waren- das Problem war jedoch damals, dass diese Waren über Umwege (beispielsweise Mexiko) zollfrei in die USA gelangten. Um dieses Risiko zu beseitigen, umfasst die neue Zollpolitik auch Drittländer, um sicherzustellen, dass jegliche Umgehungswege geschlossen werden. Dabei ist das übergeordnete Ziel, die aufstrebende Wirtschaftsmacht China "ausbluten" zu lassen, ohne dass US-Konsumenten leiden.

Stephen Miran meint, dass dies durch eine sogenannte "Forward Guidance"-Methodik geschehen solle, mit welcher die Zölle schrittweise um wenige Prozentpunkte pro Woche gesteigert werden sollen. Als Entscheidungsparameter soll das Verhalten der betroffenen Länder dienen. Kurz gesagt: Kommen die Länder den Forderungen der USA nach, so fallen Zölle oder andere Maßnahmen milder aus. Reagieren sie nicht so wie gewünscht, werden die Maßnahmen verschärft. Dies ist bis dato sehr gut an der "Zollpause" bzw. an den verschärften Zollmaßnahmen gegenüber den Chinesen zu sehen. Wer "gehorcht", der wird belohnt. Abweichend ist jedoch Trumps Intensität der Zölle, welche sich nicht auf wöchentliche Zollsteigerungen von wenigen Prozentpunkten belaufen, sondern deutlich größere und impulsivere Sprünge verzeichnen.

2. "Abwertung des Dollars"

Der zweite, mit den bisher angeführten Vorstellungen einhergehende Faktor ist die Abwertung des US-Dollars. Das erklärte Ziel dieser Maßnahme ist es, amerikanische Exporte international wettbewerbsfähiger zu machen. Durch einen schwächeren Dollar würden US-Produkte im Ausland günstiger erscheinen, was den Export ankurbeln und somit die heimische Produktion stärken soll.

Allerdings ist die Darstellung dieser Strategie im Papier widersprüchlich: Einerseits wird eine Dollarabwertung angestrebt, andererseits würden viele der vorgeschlagenen Maßnahmen – etwa hohe Importzölle – einen gegenteiligen Effekt haben. Einerseits hätte die Importreduktion, anderseits die durch die Zölle ausgelösten Direktinvestitionen in den USA eine Aufwertung des Dollars zur Folge. Diese Zielkonflikte bleiben im Papier weitgehend ungelöst und werfen Zweifel an der inneren Konsistenz der vorgeschlagenen Politik auf.

3. "Century Bonds"

Der letzte zentrale Baustein ist die Umschuldung der US-Staatsanleihen. Konkret sieht das Papier vor, bestehende Schulden in extrem langfristige Anleihen mit Laufzeiten von beispielsweise 100 Jahren, sogenannte Century Bonds, mit sehr niedriger Verzinsung umzuwandeln. Der Zweck dahinter geht Einhand mit der Überzeugung, dass der US-Dollar als Reservewährung ein Nachteil für die USA sei. Die Vereinigten Staaten wollen sich somit dauerhaft günstige Finanzierungskonditionen sichern und gleichzeitig das Zinsrisiko auf künftige Generationen und Investoren verlagern.

Vor allem das Vertrauen internationaler Investoren und Zentralbanken in die Kreditwürdigkeit der USA würde dadurch ohne Frage erschüttert werden. Eine solche Entwicklung hätte weitreichende Folgen – insbesondere eine Abkehr vieler Zentralbanken vom Dollar als Reservewährung. Die logische Konsequenz wäre eine zunehmende Kapitalflucht und eine strukturelle Schwächung des Dollarsystems.

Übersicht der aktuellen Zollsituation

Die Zollsituation ist und bleibt unübersichtlich. Am 03. April veröffentlichte jedoch Goldman Sachs (NYSE:GS) eine gelungene Übersicht, welche logischerweise nicht die Aussetzung der Zölle sowie den danach angefachten Zollstreit zwischen China und den USA abbildet, jedoch nichts desto trotz die grundlegende Lage erfasst.

Quelle: Goldman Sachs
Quelle: Goldman Sachs

Auch wenn die Zölle um 90 Tage aufgeschoben wurden, wurde am "Liberation Day" Kanada und Mexiko überraschend milde behandelt. Demnach blieben zuvor angekündigte Zölle von 25 % auf bestimmte Produkte bestehen. Die Europäische Union wurde mit einem Einfuhrzollsatz von 20 % belegt, das Vereinigte Königreich mit 10 %. Besonders stark betroffen sind asiatische Handelspartner: Auf Importe aus China wurde zunächst ein Zoll in Höhe von 34 % erhoben, auf Vietnam 46 %, auf Taiwan und Thailand jeweils 36 % sowie auf Indonesien 32 %. Auch Japan war mit einem Zollsatz von 24 % betroffen.

Quelle: @KobeissiLetter / X
Quelle: @KobeissiLetter / X

Auch wenn diese reziproken Zölle zunächst pausiert sind, gilt der Basiszollsatz von 10 % auf alle Importe. Importe aus China (ausgenommen ist Elektrotechnik) werden mit einem Einfuhrzoll von 145 % behandelt.

Warum China?

Aus dem Strategiepapier sowie aus den handelspolitischen Entscheidungen und Äußerungen von Donald Trump geht eindeutig hervor, dass China der adressierte Gegner ist, welchen die USA gezielt schwächen möchte. Diese gezielte Isolierung Chinas basiert aber nicht allein auf ökonomischen Zielkonflikten, sondern auf einem Weltbild, das von einem strategischen Nullsummenspiel geprägt ist. China soll nicht nur ausbalanciert, sondern in seiner globalen Aufstiegskraft aktiv begrenzt werden. Trump und seine Berater formulieren das offen: Die USA müssten sich selbst „stärken, indem sie China schwächen“. Das ist der Kern dieser neuen, ideologisch geprägten Wirtschaftsordnung.

Es ist also nicht nur die Tatsache, dass die amerikanisch- inländische Produktion durch den großen Anteil von chinesischen Importen geschwächt wird, sondern viel mehr die Sorge, dass der globale Einfluss der Volksrepublik den Eigenen in Zukunft übersteigen wird.

Quelle: Statista
Quelle: Statista

Die unten abgebildete Grafik verdeutlicht die in dem Vorgehen fest verankerte Sorge ziemlich treffend. Vergleichen Sie nur das Jahr 1948 mit dem Jahr 2020: Nach dem zweiten Weltkrieg waren die Vereinigten Staaten der "Shootingstar"- nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch. Der Exportanteil oder besser gesagt der Anteil amerikanischer Güter auf dem Weltmarkt betrug 21,6 %. Einige Jahrzehnte später (2020) beträgt der Anteil amerikanischer Güter lediglich 8,4 %. Und während die USA immer weiter an Marktanteil verliert, legte China eine beeindruckende Aufholjagd hin. Im Schatten der USA entwickelte sich die Volksrepublik von einem Niemand mit 0,9 % relativem Marktanteil zu dem heutigen Exportweltmeister mit 15,2 %.

Grafik: Wikipedia; Quelle: WTO: Statistik – Handel und Zölle
Grafik: Wikipedia; Quelle: WTO: Statistik – Handel und Zölle

Trump erkennt nun also, dass China real stärker wird, während die USA an relativer Stärke verliert. Besonders das so häufig angesprochene Leistungsbilanzdefizit behandelt Trump als Beweis dafür, dass das Ausland auf Kosten der USA lebe - was natürlich ökonomischer Schwachsinn ist. Historisch gesehen ist aber besonders dieses starke Leistungsbilanzdefizit durchaus ein wichtiger Parameter. Denn Ausgangspunkt ist die wirtschaftliche Transformation der USA Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre: Damals wandelten sich die Vereinigten Staaten von einer Überschuss- zu einer Defizitwirtschaft – ein Muster, das laut historischer Erfahrung (z. B. bei Großbritannien, den Niederlanden, Spanien oder dem Römischen Reich) typisch für den beginnenden Verfall einer Hegemonialmacht ist.

Der Nixon-Schock

Das ökonomische Umfeld führte 1971 zur Entscheidung von Präsident Richard Nixon, die Goldbindung des Dollars aufzugeben – ein Schock für das internationale Währungssystem. Dahinter stand jedoch eine klare Strategie: Die USA wollten trotz wachsender Defizite ihre globale Vormachtstellung bewahren. Die Lösung lautete: Man vergrößert die Defizite und sorgt dafür, dass andere Länder sie finanzieren.

Diese Strategie funktionierte wie folgt: Länder wie Deutschland, Japan oder China exportierten Waren in die USA und wurden in US-Dollar bezahlt. Diese Dollargewinne flossen dann zurück in die USA, indem ausländische Investoren amerikanische Staatsanleihen, Aktien oder Immobilien kauften. Im Ergebnis profitierten die US-Kapitalmärkte – insbesondere die oberen Schichten – während das verarbeitende Gewerbe in den USA selbst weiter erodierte. Die amerikanische Arbeiterklasse trug somit die Last eines Systems, das anderen Ländern als Absatzmarkt und zugleich als sicherer Anlagehafen diente.

Diese Belastung für die Arbeiterklasse sowie der Abbau von Industrie sieht man besonders an der Schrumpfung der Mittelschicht und der Vermögensverteilung innerhalb der amerikanischen Bevölkerung.

Quelle: Hans Böckler Stiftung
Quelle: Hans Böckler Stiftung

Nach der Entkopplung des Dollars vom Goldstandard prophezeite Nicolas Kaldor in einer Reihe von Artikeln in der London Times etwas, was wir nur kurze Zeit später tatsächlich beobachten konnten. Er sagte, die Entkopplung führe dazu, dass sich eine Nation (USA) von kreativen Geschäftsleuten und Innovatoren "zu einer Gesellschaft von Verbrauchern, die auf einen sinnlosen und unproduktiven Konsum schaut", transformieren wird. "Es wird dem Brot und den Spielen des römischen Reiches vor vielen Jahrhunderten sehr ähnlich sein".

Prof. D’Arista
Quelle: Der drohende Zusammenbruch des Finanzsystems - Prof. D’Arista / activism munich- Prof. D´Arista

Leistungsbilanzsalden

Dass die Leistungsbilanz der Chinesen positiv ist, dürfte erwartet gewesen zu sein.

Quelle: Statista
Quelle: Statista

Und dass das Leistungsbilanzsaldo der USA stark negativ ist, dürfte ebenso niemanden so wirklich überraschen.

Quelle: Statista
Quelle: Statista

Jedoch beschrieb Professor Jeffrey Sachs, ein renommierter amerikanischer Ökonom, im Zuge des Antalya Diplomacy Forums sehr anschaulich was diese Leistungsbilanzsalden eigentlich bedeuten. Denn ein genauer Blick reicht, um zu verstehen, dass das Defizit von 1,1 Billionen USD (in der Statista-Grafik ist dieses offizielle Saldo falsch, da es aufgrund des Berechnungszeitpunktes lediglich eine Prognose war) die Differenz der Gesamtausgaben der USA (30,1 Billionen USD) und dem amerikanischen Volkseinkommen (29,0 Billionen USD) ist.

Das bedeutet im Umkehrschluss nichts anderes als, dass die USA mehr ausgibt als sie einnimmt und sich den Differenzbetrag beim Ausland in Form von Schulden leiht.

Quelle: @upholdreality / X
Quelle: @upholdreality / X

Der gesamte Plan, dass das Leistungsbilanzdefizit also durch Zölle abnimmt, obliegt einem fundamentalen Denkfehler.

Trumps grundlegender Denkfehler

Denkfehler 1: Zwar würden Zölle bewirken, dass ausländische Waren weniger gekauft werden und die US-Verbraucher stattdessen auf US-Waren setzen. Jedoch wird bei dieser ganzen Zollthematik die Tatsache vernachlässigt, dass die von den Amerikanern verbrauchten US-Güter nicht für Exporte zur Verfügung stehen, ganz egal wie niedrig der Dollar wäre (Ja, es ist nach wie vor ein Paradoxon, dass Zölle und ein niedriger Dollar in Einem bestehen). Demnach würden sowohl Importe, als auch Exporte sinken und das Leistungsbilanzdefizit weiterhin in gleicher Form bestehen.

Jedoch ist das nicht der einzige Fehler, welchen Trump bei seiner Wirtschaftspolitik entschlossen ignoriert. Bezogen auf Trumps Vergangenheit scheint es nur trivial, dass er aus Sicht eines Betriebswirts argumentiert. In seiner Rolle als Präsident ist jedoch ein volkswirtschaftliches Verständnis von globalem Handel von Nöten.

Sein Missverständnis des Handels

Denkfehler 2: Denn aus Sicht von Trump bzw. Unternehmern gilt das Exportieren oft als vorteilhaft, während Importe als nachteilig oder zumindest als Zugeständnis angesehen werden. Um das stark zu simplifizieren: Exporte sind gut und Importe sind schlecht.

Der eigentliche Nutzen des Außenhandels besteht aber nicht in den exportierten, sondern in den importierten Gütern. Exporte dienen lediglich dazu, die Mittel zu erwirtschaften, mit denen ein Land Importe bezahlen kann. Die importierten Waren erhöhen den Lebensstandard, da sie den Zugang zu Produkten ermöglichen, die im eigenen Land entweder gar nicht oder nur ineffizient hergestellt werden können.

Grundlage dieser Logik ist die Arbeitsteilung, der sogenannte komparative Vorteil: Jedes Land spezialisiert sich auf die Herstellung bestimmter Güter oder Dienstleistungen, in denen es besonders effizient ist und tauscht diese gegen Produkte anderer Länder. So entsteht durch internationalen Handel ein breites Warenangebot, das allen Beteiligten zugutekommt.

Zölle und Handelshemmnisse behindern diese Spezialisierung und verringern dadurch den gesamtwirtschaftlichen Nutzen des Handels. Der Wohlstand moderner Gesellschaften beruht zu einem großen Teil auf der Fähigkeit, sich durch Handel zu vernetzen, Ressourcen optimal zu nutzen und vom internationalen Austausch zu profitieren. Eine auf Importe gerichtete Abwehrhaltung verkennt genau diesen Zusammenhang und stellt die Sicht des Unternehmers über den Nutzen für den Bürger.

USA bald ein "Default"-Kandidat?

Denkfehler 3: Auch seine Aussage, die USA würde die ganze Welt mit dem Dollar als Reservewährung ausstatten, ist schon fast ironisch. Denn seine Haltung impliziert eine einseitige Dienstleistung, welche rein negative Auswirkungen auf die USA habe. Bei dieser Betrachtungsweise wird offensichtlich und vermutlich auch bewusst die Kehrseite der Medaille unausgesprochen gelassen. Denn Fakt ist, dass die USA durch den US-Dollar als Leitwährung die Möglichkeit hat, sich ungemein hoch zu verschulden und ihren übermäßigen und ungedeckten Konsum zu finanzieren. Im Prinzip tauscht das Ausland reale Güter gegen einfaches, digitales Geld, welches die USA in beliebigem Maße einfach so "drucken" kann.

Anschließend an die Verschuldungsthematik kommen wir zurück auf Punkt 3 des Strategiepapiers von Stephen Miran- die "Century Bonds". Die Implikationen an den Märkten sowie besonders die Abwertung des Dollars scheinen nämlich viel mehr etwas mit diesem medial nahezu verdrängten Thema der Umschuldung von US-Staatsanleihen zu tun.

Die sogenannte Fundierung der Staatsschuld bezeichnet wie eingangs schon beschrieben den Prozess, bei dem kurzfristige, hoch verzinste US-Staatsanleihen durch langfristige, niedrig verzinste Anleihen ersetzt werden. Angeführt werden dabei 100-jährige Anleihen („Century Bonds“) mit Zinssätzen von nur etwa 1 %. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Zinslast für die US-Regierung drastisch zu reduzieren. Besonders brisant ist dabei, dass diese Umstrukturierung nicht auf freiwilliger Basis, sondern einseitig durch die politische und finanzielle Vormachtstellung der USA gegenüber ausländischen Investoren erfolgen könnte.

Solche Maßnahmen würden nach den Kriterien internationaler Ratingagenturen als „Default-Ereignis“ gelten, da Gläubiger schlechter gestellt würden als ursprünglich vereinbart. In der Finanzwelt wird daher nicht nur über Zölle gesprochen, sondern zunehmend auch über das Risiko einer gezielten Umstrukturierung oder gar Insolvenz der US-Staatsfinanzen, was erhebliche Folgen für die globale Finanzordnung hätte. Für die USA, also für den Schuldner, würde ein Default schlussendlich bedeuten, dass er sich der Rückzahlung entziehen kann.

Insgesamt dürfte es aber nicht im Interesse von Donald Trump stehen, dass der US-Dollar sein Privileg als Reservewährung verliert. Viel mehr dürfte sein Ziel sein, ausländische Dollarhalter zu bewegen, ihre US-Dollar-Reserven nicht in anderen Währungen anzulegen, sondern in langfristige US-Staatsanleihen oder alternative Assets wie Bitcoin zu investieren. Dadurch soll der Dollar an Wert verlieren, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Exporte stärken und die Importabhängigkeit verringern würde, ohne das Privileg der Leitwährung zu verlieren. Dafür spricht seine aggressive Werbung hinsichtlich von Kryptowährungen und sein Interesse, jene im globalen Finanzsystem zu integrieren.

Der US-Dollar und die derzeitigen Wechselkurseffekte

Dass sich Marktteilnehmer, welche über große Mengen an Dollar verfügen, derzeit fürchten, spiegelt sich in dem Dollarkurs wider. Denn wie schon des Öfteren erwähnt, würde der Dollarkurs aufgrund der Zölle normalerweise aufwerten. Durch die geringere Nachfrage nach ausländischen Gütern und somit auch nach ausländischer Währung sowie ansteigenden Direktinvestitionen in den USA müsste der US-Dollar plausibler Weise steigen.

Jedoch sieht man den Dollarwährungsindex derzeit deutlich unter der 100 USD-Marke. Diese Abwertung ist einerseits auf die derzeitige Unsicherheit und die Markttrubel, welche Donald Trump zu verantworten hat, zurückzuführen. Andererseits ist aber auch ein unmittelbarer Vertrauensverlust in den US-Dollar und die USA zu erkennen. Nach der Demütigung von dem ukrainischen Präsidenten Selenski sieht man nicht nur die Märkte in Aufruhr, sondern auch die amerikanische Währung auf Talfahrt.

Dabei spielt besonders die Kapitalflucht wegen der im Raum stehenden realen Enteignung der Gläubiger durch die sogenannten Century Bonds eine große Rolle. Man flieht bevor es zu spät ist. Auch wenn diese in Stephen Mirans Strategiepapier beschriebene Methodik zunächst wie eine bloße Theorie erscheint, ist die politische Härte Donald Trumps Anlass genug, um diese bisherige Theorie Ernst zu nehmen. Solche drastischen Währungsschwankungen sind lediglich durch den aktiven Aktionismus großer "Player" möglich.

DX

Um die Absurdität und bis dato nicht möglich erscheinende Macht-Inanspruchnahme von Donald Trump zu verdeutlichen: Er versucht derzeit Fed-Chef Jerome Powell seines Amtes zu entziehen. Die Geldpolitik wäre demnach ebenso voll und ganz in den Händen es US-Präsidenten.

Quelle: @krassenstein / X
Quelle: @krassenstein / X

Der Unsicherheit- bzw. Chaoseffekt zeigt sich in dem größten monatlichen Rückgang des US-Dollars seit der Ankündigung des QE-Programms im Zuge der Finanzkrise.

Quelle: @zerohedge / X
Quelle: @zerohedge / X

Insgesamt ist also zu schlussfolgern, dass die Abwertungseffekte faktisch überwiegen und die USA derzeit nicht nur ihre über Jahrzehnte langen Beziehungen, sondern auch die Stellung des US-Dollars als Reservewährung stark gefährdet.

Zölle also viel mehr ein verhandlungsinstrument?

In Betrachtung von Punkt 2, also der geplanten Abwertung des Dollars zur Stärkung der inländischen Industrie sowie Punkt 3 (Umschuldung in Century Bonds) erscheint es trivial, dass die Zölle lediglich als Erpressungsmittel dienen.

Die Zölle sollen andere Länder dazu bewegen, mehr für Verteidigung auszugeben, amerikanische fossile Brennstoffe wie Öl, Gas und LNG zu kaufen und möglicherweise indirekt zu Schuldenerleichterungen zugunsten der USA beizutragen. Die ersten beiden Punkte hat man bereits am Beispiel der EU sehen können und ziehen sich faktisch durch jede Zollverhandlung. Wie schon erwähnt nach dem Motto: "Wer gehorcht, wird belohnt". Die Umschuldung würde nicht offen als solche bezeichnet, sondern als „freiwilliger Umtausch“ kurzfristiger US-Staatspapiere in langfristige, niedrig verzinste Anleihen präsentiert werden – faktisch aber zum Nachteil der Gläubiger. Und wichtig: Mit dem Wissen, dass man sich zwar der Rückzahlung entziehen und den Dollar abwerten kann, jedoch gleichzeitig das einzigartige Privileg, sich auf Kosten des Auslandes zu verschulden, über Bord schmeißt.

Fazit

Nach einer Fülle von Informationen gilt es nun die Puzzleteile zusammenzufügen und ein prägnantes Abbild von Trumps Ideologie zu zeichnen.

Sein übergeordnetes Ziel ist es, die wirtschaftliche und geopolitische Vormachtstellung der USA wiederherzustellen, den Einfluss Chinas zurückzudrängen und die USA finanziell und industriell zu entlasten.

Dabei nutzt er drei Variablen:

  1. Die Zölle als Druckmittel gegen andere Staaten (sekundär als Einkommensquelle zum Ausgleich des Haushaltsbilanzdefizits)
  2. Abschwächung des Dollar, um Exporte zu fördern und die heimische Industrie zu stärken
  3. Umschuldung, um die Zinslast zu reduzieren

Seine Vorstellung ist also: Das Ausland exportiert weniger Waren in die USA, während es mehr in die eigene Verteidigung investiert, um die USA als "Weltpolizei" finanziell zu entlasten. Der Dollar soll gleichzeitig abwerten und die amerikanischen Unternehmen sollen wieder alte Exportstärke zurückgewinnen. Und dann soll das Ausland noch am besten freiwillig ihre US-Staatspapiere in niedrig verzinste, teilweise hundert jährige Staatsanleihen umwandeln, für welche sie dann noch oben drauf Gebühren an die USA zahlen. Somit solle Amerika ein exportstarkes Land mit niedrigen Finanzierungskonditionen und einer gleichbleibenden Akzeptanz mit Anspruch auf andere Länder (Grönland, Kanada, ...) werden.

Ein unrealistisches Wunschdenken, das kaum Realität werden dürfte. Einerseits wegen des eigenen Größenwahns von Donald Trump, andererseits wegen seiner verpassten Lehrstunden in Ökonomie.

Schlussendlich ist der Ausgangspunkt die Entwicklung des Dollars. Denn Trump hat Recht, dass der Dollar durch die Nachfrage nach Dollar-Reserven künstlich aufgebläht wurde und die amerikanische Industrie dadurch schrumpfte. Das ist aber nicht etwa auf eine Ausbeutung ausgehend vom Ausland zurückzuführen, sondern liegt an der Transformation, welche schon Kaldor 1971 beschrieb. Die USA entwickelte sich hinzu einer Konsumgesellschaft, welche primär durch ihre verschwenderischen Kriege Billionen an US-Dollar verbrannte. Die Amerikaner lebten Jahrzehnte lang auf Pump und tauschten reale Waren aus dem Ausland mit eigenen nicht-gedeckten "Dollarscheinen". Dies funktionierte lediglich aufgrund des Vertrauens in die USA (Sicherheitszugeständnisse, Freihandel, ...) und ihrer Rückzahlungsfähigkeit. Beide Parameter sind derzeit sehr fragwürdig zu betrachten.

Trumps ideologische Überzeugungen und ihre fehlende Übereinstimmung mit der Realität könnten nicht nur die USA in ernste Schwierigkeiten bringen, sondern das gesamte globale Finanzsystem destabilisieren.

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