Fangen wir mal so an: Auch die Gläubiger Athens haben in der seit fünf Jahren andauernden griechischen Tragödie große Fehler gemacht. Man hat es verschlafen, in Griechenland Beschränkungen von Bargeldabhebungen und strikte Kapitalverkehrskontrollen schon zu Beginn der Krise einzuführen. So gerieten zunächst die Banken immer mehr in Geldnot. Vor allem aber konnten so die Reichen und Superreichen dem griechischen Fiskus durch steuerbegünstigte Anlagen in Richtung beispielsweise Großbritannien entfleuchen.
Das Steuergeld dieser mit besonderer Solidarität ausgestatteten Herrschaften fehlt heute im Staatssäckel Athens und damit für ein ordentliches Krankheitswesen, das für mich ein menschliches Grundrecht ist. In punkto Steuereintreibung sollte man also nicht nur auf durchaus vorhandene griechische Schlamperei verweisen, sondern auch auf die Länder, die dem griechischen Großkapital gerne die steueroptimierten Türen öffneten. Es ist eine dringende Bringschuld der EU-Politik schnellstmöglich eine Europäische Steuerunion einzurichten, bei der solche unsolidarischen Schweinereien nicht mehr möglich sind.
Sicherlich sind auch die Kontrolleure der Troika in Athen oft genug wie bei der Inquisition aufgetreten. Ein Mindestmaß an sozialer Kompetenz dürfen auch diese Zahlenmenschen an den Tag legen. Der Ton macht die Musik.
Solidarität ist keine Einbahnstraße
Grundsätzlich ist es aber legitim, wenn Kreditgeber ein strenges Auge auf den Kreditnehmer werfen. So ist das auch im Privatleben, z.B. bei Baufinanzierungen. Wer immer einen Kredit vergibt, hat das Anrecht auf Zurückzahlung. Und in Griechenland wollen die Kreditgeber sehen, ob das politische Athen mit breiten Reformen die Basis schaffen kann und/oder will, längerfristig schuldentragfähig zu werden. Wer fremdfinanziert ist, ist leider auch etwas fremdbestimmt.
Wenn die Athener Regierung jetzt lauthals verkündet, die Gläubigerländer - und vor allem Deutschland - wären nicht genügend solidarisch, ist das der blanke Unsinn. Manche sprechen in Athen sogar von neoliberaler Verarmungspolitik der Kreditgeber. Das ist höhnisch. Zunächst haben wir zur Unterstützung Griechenlands die für uns Deutschen heiligen Maastricht-Stabilitätskriterien der Eurozone aufgeben müssen. Denn ansonsten wären zwischenstaatliche Hilfsprogramme nicht möglich gewesen. Im März 2010, als zeitgleich der isländische Vulkan „Eyjafjallajökull“ ausbrach, ging es los.
Von deutschen öffentlichen Kreditgebern allein gab es bis heute etwa 80 Mrd. Euro an Hilfskrediten. Hinzu kommen noch diverse Bürgschaftszusagen. Die internationalen Banken und Versicherer haben beim größten Schuldenschnitt der Neuzeit 2012 auf über 50 Prozent ihrer griechischen Forderungen verzichtet. Und für den Rest gab es neue griechische Anleihen zu schlechteren Konditionen. Nicht zuletzt haben dafür auch deutsche Versicherungskunden ihren Kopf hingehalten.
Laut EU-Kommission summieren sich alle Beihilfen, Kredite und der Schuldenerlass für Griechenland auf insgesamt 380 Mrd. Euro. Und die EZB hilft griechischen Banken ähnlich wie Mutter Theresa vor der Illiquidität mit der stetigen Verlängerung ihrer Hilfskredite. Und das alles für ein Land, das sich mit falschen Zahlen in die Eurozone herein gemogelt hat. Wenn einem so viel Solidarität wird beschert, das sind schon griechische Gegenleistungen wert. Athen sollte keine Legendenbildung betreiben und schon gar keine Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Problem Griechenlands - seine strukturelle Wirtschaftsschwäche - starten.
Die griechische Bevölkerung hat jede Chance verdient
Ich unterscheide scharf zwischen der griechischen Bevölkerung, der meine ungeteilte Sympathie gilt und der Athener Regierung, bei der ich Bauchschmerzen bekomme. Die Griechen brauchen Perspektiven und sollen sie auch haben. Ist es denn nach fünf Jahren der versuchten Rettung Griechenlands nicht endlich an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen und endlich das eigentliche Problem der Griechen - ihre superschwache Konkurrenzfähigkeit - anzupacken?
Aufgrund dessen kann die griechische Wirtschaft in der Eurozone genau so wenig gedeihen wie Blumen in der Wüste. Vom Status Quo haben weder die Griechen etwas, die weiter verarmen, noch die Eurozone, die ein Wirtschaftsproblem lösen will, für das es in der Eurozone keine Lösung gibt. Da hilft auch kein Investitionsförderprogramm, dessen Finanzmittel eben nicht auf fruchtbaren, wettbewerbsfähigen Boden fallen und daher nur ein Strohfeuer entfachen können. Die Welt für private Investoren - und auf die kommt es für nachhaltiges Wachstum an - ist groß und bunt. Auf Griechenland im jetzigen Zustand hat niemand gewartet.
Was ist denn so verkehrt daran, Griechenland eine eurozonale Auszeit von ca. 10 Jahren zu gewähren. Schwächeren Schülern gewährt man ja auch die Chance, die Klasse zu wiederholen, um Versäumtes nachzuholen. Es ist verkehrte Solidarität, die Griechen entgegen einer Wettbewerbslogik in der Eurozone zu halten. Mit einem Austritt erhielte das Land die Möglichkeit, über Währungsabwertung eine Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen.
Allerdings müsste man dem Land ebenso einen großzügigen Schuldenschnitt gewähren. Hier würden die Gläubigerländer die richtige Solidarität zeigen. Und an diesem Schuldenschnitt kämen wir - wenn wir ehrlich sind - auch im Status Quo früher oder später nicht vorbei. Seine Schulden kann Griechenland beim besten Willen nicht mehr zurückzahlen. Dazu braucht es einen Odysseus und eine seiner Heldensagen, die aber leider nur in der griechischen Mythologie existieren. Auf das Wirtschaftswunder von Griechenland in der Eurozone können wir lange warten.
Dieser Schuldenschnitt kann aber nur außerhalb der Eurozone gewährt werden. Denn selbst wenn man Athen jetzt, in dieser Sekunde alle Schulden striche, würden es aufgrund seiner wettbewerbsunfähigen Verfassung in der nächsten Sekunde wieder anfangen, neue Schulden anzuhäufen.
Im Übrigen scheinen die Griechen selbst einen GREXIT nicht mehr auszuschließen. Sie heben ihr Geld aus Angst vor Wiedereinführung der Drachme ab. Bereits 2012 hat der damalige griechische Finanzminister Geld ins Ausland gebracht. Vertrauen sieht anders aus, oder?
The day after GREXIT
Griechenland ausgenommen reagieren die Euro-Anleihemärkte sehr entspannt auf einen möglichen GREXIT. Die Renditen von Staatspapieren aus Portugal, Irland, Spanien, Italien und auch Deutschland fallen. Die Finanzmärkte gehen davon aus, dass eine Euro-Krise 2.0 selbst bei einem GREXIT - obwohl kurzfristige Marktirritationen zu erwarten wären - ausbleiben wird. Überhaupt, wenn seit Januar an den Tag gelegte, psychopatische Verhaltensweisen von bestimmten Politikern wieder aussterben sollten, kann das nur Ruhe in die Eurozone bringen.
Vor diesem Hintergrund sollte man auch Aktien - gerne auch mit regelmäßigen Sparplänen - treu bleiben. Denn die Anlagealternative Zinsvermögen ist nicht attraktiv, sondern hässlich und wird mit Blick auf das Anleiheaufkaufprogramm der EZB - und damit weiter sinkenden Zinsen - immer noch hässlicher.
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