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Statt ins US-Restaurant zu gehen, muss Europa lernen, wieder selbst gut zu kochen

Veröffentlicht am 16.05.2018, 12:03

Bislang regnete es vom amerikanischen Himmel Brei und Deutschland hatte immer den größten Löffel. Die USA waren nicht nur unser treuer Beschützer. Als Bewahrer des Freihandels sorgte Amerika vor allem dafür, dass der Export zum erfolgreichen deutschen Geschäftsmodell wurde. Doch mit Trump ist Schmalhans Küchenmeister im Weißen Haus geworden.

Das Schlaraffenland Made in USA wird geschlossen

Einen Vorgeschmack auf die amerikanische Handels-Diät bietet Trumps Iran-Politik. Mit seiner einseitigen Kündigung des Atomabkommens hat er ganz Europa außenwirtschaftliche Magerkost verordnet: Wenn unsere Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten im Iran nicht beenden, drohen ihnen in den USA Sanktionen. Wie drakonisch diese ausfallen können, haben die Milliardenstrafen für europäische Banken im Nachgang der Immobilienkrise gezeigt. Jedes europäische Unternehmen, dessen Management noch ganz bei Trost ist, wird sich jetzt aus dem Iran zurückziehen. Die im Vergleich zum Iran deutlich praller gefüllten Fressnäpfe in Amerika genießen Priorität. Niemand will es sich mit Küchen-Häuptling „Tweeting Bull“ verscherzen.

Sollte Amerika Anfang Juni auch noch nachhaltige Zölle auf europäische Stahl- und Aluminiumimporte verhängen, wird die EU schon aus Gründen der Gesichtswahrung Gegenmaßnahmen ergreifen. Diese würde Trump wiederum mit weiteren Zöllen auf z.B. deutsche Autos beantworten. Im schlimmsten Fall wird das nährreiche Geschäftsmodell Export zu low carb.

Aktuell muss man zwar noch nicht unken. Der Welthandel zeigt sich noch nicht „diätös“. Doch hat sich die Exportstimmung in Deutschland bereits eingetrübt. Fast ein Viertel der vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag befragten deutschen Unternehmen sieht in der steigenden Zahl von Handelsbarrieren und der Bevorzugung der eigenen Unternehmen - übrigens nicht nur in Amerika - ein Handelsrisiko.

Viele Köche verderben den europäischen Brei

Aufgrund der bislang von Amerika ausgelösten Fresswelle galt in Europa und Deutschland bis dato das Motto „Voller Bauch studiert nicht gern“. Doch jetzt droht uns Trump Magerquark an. In solchen hungrigen Zeiten offenbaren sich die Qualitäten von Politikern. So haben Adenauer mit seiner deutsch-französischen Annäherung, Schmidt mit der deutsch-französischen Freundschaft und Kohl gemeinsam mit Mitterand als Vollender der Europäischen Union in entscheidenden Zeiten den europäischen Herd immer warmgehalten. Und gegen Trump muss Europa jetzt vereint die nächste Küchenschlacht gewinnen. Wir dürfen uns nicht auf FdH setzten lassen. Sonst macht Trump uns mit den Hunger Games zu seiner Kaltmamsell.

Die Vorschläge Macrons für mehr Europäische Integration muss man ja nicht zu 100 Prozent gutheißen. Aber eine klare Antwort darauf oder noch besser konkrete Gegenvorschläge sind die klare Bringschuld Deutschlands. Das passive Moderieren und das bloße Schwingen der Moralkeule in Berlin gegen Trump bringen keinen Erfolg. Hilfreich ist es auch nicht, wenn sich deutsche Parteien dem Kochkurs verweigern: „Lieber politisch nicht kochen als schlecht kochen.“ Wenn Polit-Deutschland in dieser ernsten Lage Europas nicht ordentlich den Kochlöffel schwingt, wann dann?

Europa kann diese Aufgabe nicht an die EZB delegieren, die als Kartoffelschäler und Karottenschnippler zwar einen tollen Job macht, aber für die eigentlich gute Küche nicht zuständig ist. Erst die harmonische Zusammenarbeit der nationalen Köche mit guten Reform-Zutaten sorgt dafür, dass der europäische Binnenmarkt wirtschaftspolitisch zum Sterne-Restaurant wird.

If you can't stand the heat, get out of the kitchen!

In Europa muss Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen. Bei uns kommt außer ein bisschen Kohle kein Gas oder Öl aus der Erde. Um unser Wohlstandsniveau zu sichern, sind wir daher gezwungen, technisch innovativ zu sein. Wir müssen erfinden, entdecken, entwickeln und danach produzieren und verkaufen.

Ist diese Küchenweisheit wirklich so schwer zu verstehen? Denn wo bleibt die Infrastruktur- und Digitalisierungsoffensive, die in vielen konkurrierenden Ländern längst praktiziert wird? Wieso nutzt man das immer noch äußerst günstige Zinsumfeld nicht, um kräftig neue Schulden zu machen, die dann allerdings nur in die Verbesserung des deutschen Wirtschaftsstandorts fließen dürfen, in Straßen, Bildung, Breitbandausbau, von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen, von Aachen bis Cottbus. Nur so macht man Unternehmen auch aus den USA Appetit auf Investitionen in Deutschland. Über neue Schulden sollte man sich nicht grämen. Denn ihnen steht ein höheres volkswirtschaftliches Produktivvermögen zur Wohlstandsmehrung gegenüber. Dagegen ist die „schwarze Null“ nur ein ideologischer finanzpolitischer Fetisch. Kaputtsparen macht Deutschland nicht satt, sondern hungrig.

Wenn sich Deutschland (wirtschafts-)politisch jedoch nicht bewegt, dann werden sich die Unternehmen noch mehr aus unserem Land herausbewegen. Zu den bereits weit über sieben Millionen Arbeitsplätzen, die deutsche Unternehmen im Ausland geschaffen haben, sind weitere 250.000 geplant. Amerika freut sich bereits über die europäischen Kalorienbomben.

Es geht um die Sicherung des deutschen Standorts und seiner Beschäftigten. Sie müssen satt werden. Dazu muss Berlin bereit sein, ordentlich zu kochen. Wir können mehr als Eintopf. Wer sonst hätte die Wiedervereinigung so grandios zubereitet?

Wenn man sich diese Aufgabe allerdings nicht zutraut, sollte man die politische Küche verlassen.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

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