Atomkraft? Nein, danke! Für die hiesige Medienlandschaft und große Teile der deutschen Politik ist die Abkehr von der Atomkraft alternativlos. Doch es gibt auch durchaus Menschen, die das anders sehen. So beispielsweise Klaus Josef Lutz, seines Zeichens Chef des mit über 20 000 Mitarbeitern größten Agrarhändlers des Landes. Seit dem Jahr 2008 führt der 64-Jährige den Münchner BayWa-Konzern, zudem fungiert er als Präsident des Bayerischen Industrie und Handelskammertages. Es lässt sich dem studierten Juristen also durchaus eine gewisse Expertise im Bereich der Wirtschaft und auch der (Energie-)Politik bescheinigen – so zumindest unsere Einschätzung. Jedenfalls hat Lutz nun in einem Interview mit dem Münchner Merkur zu einem ordentlichen Rundumschlag ausgeholt und die zentralen Akteure der deutschen Politik gehörig abgestraft. Diese laufen seiner Auffassung nach „ideologisiert irgendwelchen Wunschträumen hinterher“, anstatt eine sinnvolle Energiestrategie auszuarbeiten. Die Kernaussage seiner Wutrede: Die deutsche Wirtschaft überlebt nur mit Atomkraft!
Stimmung in der deutschen Wirtschaft am Boden
Diese These begründet Lutz unter anderem mit der Problematik, die derzeit noch bei der Speicherung von erneuerbaren Energien vorherrsche. Solange diese nicht gelöst sei, könne die Grundlast – wenn man die klimapolitischen Herausforderungen berücksichtige – nur mit Hilfe der Atomenergie gesichert werden. Seiner Meinung nach sind die energiepolitischen Ziele bis 2030 ohne Atomkraft nicht zu erreichen, da lüge man sich „besonders in Berlin“ in die eigene Tasche. Der deutschen Wirtschaft jedenfalls prophezeit er indes, dass sich der (Energie-)Druck zukünftig massiv erhöhen werde: „Wir tragen die Konsequenzen einer monostrukturierten Grundlastpolitik und wir tragen die Konsequenzen der Sanktionen gegen Russland“. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft sei noch nie so schlecht gewesen wie derzeit, dies belegen Lutz Aussagen zufolge auch kürzlich erhobene IHK-Umfragen. Der BayWa-CEO verweist in diesem Zusammenhang auch auf die aktuelle Lage in der Chemiebranche. Hier sei die Produktion vielerorts bereits stark zurückgegangen.
Droht die Deindustrialisierung?
Sollte die deutsche Politik an ihrer aktuellen Fahrtrichtung festhalten, geht Lutz davon aus, dass über kurz oder lang „energieintensive Unternehmen ins Ausland gehen oder im Ausland investieren“, was wiederum zu Wohlstandsverlusten in der Bevölkerung führen werde. Auch eine Deindustrialisierung Deutschlands sei nicht kategorisch auszuschließen. Was Lutz vorschlägt? Eine Neu-Diskussion der Atomkraft-Thematik – und zwar „auf Basis modernster Technologien, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurden“. In diesem Zusammenhang verweist Lutz beispielhaft auf das Recycling von Plutonium, bei welchem man in den vergangenen Jahren starke Fortschritte gemacht habe.
Auch wir haben übrigens in einem jüngst im Trading Room erschienenen Artikel die derzeit durchaus bedrohliche Situation in der Chemieindustrie unter die Lupe genommen. Darüber hinaus haben wir ein gleichermaßen interessantes wie aufschlussreiches Interview mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein Dr. Werner Marnette zum Thema Energie Politik in Deutschland geführt – und wo hier, gelinde gesagt, Verbesserungspotential besteht.
Für aktuelle Inhalte, Prognosen und Einblicke klicken Sie bitte hier!