Seit dem Zinsentscheid der US-Notenbank überschlagen sich die Nachrichten und die Kurse rauschen in den Keller. Dabei haben insbesondere die jüngsten Meldungen zum Handelsstreit für Aufmerksamkeit gesorgt. Und sie wurden auch wieder als Grund für die vorgestrigen Kursverluste genannt. Auf den ersten Blick erscheint das durchaus plausibel, doch ist es das auch?
Fed-Zinsentscheid leitet eine Abwärtsbewegung ein
Der folgende Chart gibt einen guten Überblick darüber, was in den vergangenen Tagen wann passiert ist (horizontale Linien) und wie die Kurse darauf reagiert haben. Es handelt sich um den CFD-Chart des Dow Jones. Vorteil dieses Charts ist, dass er auch den außerbörslichen Handel abbildet.
Klar erkennbar ist, dass die Kurse mit dem Zinsentscheid der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) vom vergangenen Mittwoch aus ihrer Lethargie erwacht sind und seitdem den Rückzug angetreten haben.
Wirtschaftsdaten, wie die Einkaufsmanagerindizes oder der ifo-Index (siehe auch unten), hatten dabei kaum stärkeren Einfluss auf die Kurse. Sie haben auch lediglich meine Erwartungen bestätigt, die sich bereits aus dem Rückgang des ZEW-Index vom vergangenen Dienstag ergeben haben. Die Zukunftserwartungen der Marktteilnehmer haben sich zwar insgesamt leicht eingetrübt, die Aussichten für die Wirtschaft schätzen sie aber weiterhin positiv ein. Denn die genannten Frühindikatoren deuten mit ihren aktuellen Werten immer noch auf anhaltendes Wachstum hin.
Ist der Handelsstreit der Grund für die fallenden Aktienkurse?
Deutlich interessanter ist daher, dass nach dem vorgestrigen Beschluss von US-Präsident Donald Trump, die EU aus den Zöllen auf Aluminium und Stahl vorerst herauszunehmen, die Kurse weiter gefallen sind, sowohl an den US-Märkten als auch in europäischen Indizes wie dem DAX. - Wenn der Handelsstreit zuletzt stets ein Grund für fallende Aktienkurse war, hätten die Notierungen dann nicht zu diesem Zeitpunkt steigen müssen?!
OK, man kann sicherlich argumentieren, dass zu diesem Zeitpunkt bereits klar war, dass US-Präsident Donald Trump Zölle auf chinesische US-Importe auf den Weg bringen würde, womit er den Handelsstreit weiter anheizen würde. Und er leistete nur wenig später vor laufenden Kameras die entsprechende Unterschrift. Aber kurioserweise stiegen die Kurse dann zunächst an (siehe Chart oben), was auch nicht in das Bild passt, wonach der Handelsstreit einen so großen Einfluss auf die Börsen haben soll.
Daher habe ich dem Handelsstreit nie ein so hohes Gewicht verliehen und stattdessen auf die Wirtschaftsdaten und die Zinsentwicklung sowie die Charttechnik verwiesen. Und wenn man sich einen größeren Chartausschnitt des Dow Jones anschaut (siehe folgender Chart), dann wird auch klar, dass die aktuellen Kursverluste nur wenig mit den Zöllen zu tun haben.
Stattdessen befindet sich der Dow Jones in einem Abwärtstrend (roter Trendkanal), bei dem es noch vor der Zinssitzung der Fed zu einem Bruch einer Aufwärtstrendlinie (orange) kam. Und mit diesem Bruch wurde der Abwärtstrend bestätigt. Die Entscheidung der Fed, einen steileren Zinspfad vorzugeben, hat ihr Übriges dazu beigetragen.
Handelsstreit nicht überbewerten
Die bisher geplanten US-Zölle in Höhe von 60 Milliarden Dollar auf chinesische Importe und die angekündigten Gegenmaßnahmen der Chinesen im Umfang von 3 Milliarden Dollar sind dagegen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Natürlich kann daraus ein Handelskrieg entstehen. Aber den Handelsstreit in seinem aktuellen Ausmaß sollte man nicht überbewerten.
Zumal Trumps Handelsbeauftragter Robert Lightizer die Zölle gegen China binnen 60 Tagen ausarbeiten soll. Sie sind also noch längst nicht in Kraft und Trump sagte, man sei mit China in Verhandlungen. Sicherlich muss man die Entwicklungen im Auge behalten, sollte es zu einer Eskalation kommen. Doch ich erwarte eine solche derzeit eher nicht. Und die obige Analyse des Kursverlaufs und der Ereignisse zeigt, dass die Zölle nicht der Grund für die aktuellen Kursverluste sind.
Konjunkturdaten: Die euphorische Stimmung schwindet
Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen ging im März erneut zurück. Der ifo-Geschäftsklimaindex fiel von 115,4 Zählern im Vormonat auf nun 114,7 Punkte (siehe schwarze Linie in der folgenden Grafik). Es war der zweite Rückgang in Folge - allerdings von einem sehr hohen Niveau aus.
Wie das Münchner ifo-Institut zu seiner Umfrage unter 7000 Managern weiter mitteilte, bewerten die Manager sowohl ihre Geschäftslage (blaue Linie) als auch die Aussichten für die kommenden sechs Monate (grüne Linie) weniger optimistisch. Das bedeutet nun allerdings nicht, dass die deutsche Konjunktur vor einem Einbruch steht. Stattdessen werden die Zuwachsraten des Bruttoinlandsproduktes in Zukunft wahrscheinlich lediglich etwas kleiner ausfallen.Einkaufsmanagerindex Deutschland
Diesen Eindruck bestätigen auch die Einkaufsmanager. So ist der entsprechende Index von IHS Markit für die Gesamtwirtschaft Deutschlands (Composite Index) in einer ersten Vorabschätzung (Flash-PMI) um 2,2 auf 55,4 Punkte gefallen.
Der Index erreichte damit zwar ein 8-Monats-Tief, doch auch hier war es erst der zweite Rückgang in Folge von einem sehr hohen Niveau aus. Denn im Januar hatte der Index noch fast ein 7-Jahreshoch erreicht.
Einkaufsmanagerindex Eurozone
Ähnliches gilt für die Eurozone. Auch hier gab der Composite-Index von 57,1 Zählern im Februar um 1,8 auf nun 55,3 Punkte zum zweiten Mal nach, womit er sogar auf ein 14-Monats-Tief fiel. Doch im Januar hatte dieser Index noch den höchsten Wert seit Juni 2006 erreicht. Und der PMI-Durchschnittswert im ersten Quartal 2018 signalisiert ein BIP-Wachstum von 0,7 - 0,8 %. Damit würde das BIP-Wachstum, nach dem kleinen Rücksetzer auf 0,6 % im 4. Quartal 2017, zum Jahresstart 2018 wieder mindestens die Werte aus dem 2. und 3. Quartal 2017 erreichen (jeweils +0,7 %).
Einkaufsmanagerindex USA
Ein ähnliches Wachstum sollte auch die US-Wirtschaft erreichen. Denn hier notiert der Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft mit 54,3 Punkten nur leicht unter dem Niveau von Deutschland und der Eurozone.
Und auch hier hat es im März einen kleinen Rücksetzer gegenüber dem Vormonat (55,8) gegeben, der den Index aber nach wie vor komfortabel oberhalb der Wachstumsschwelle von 50 Punkten stehen lässt.
Fazit
Die Umfrageergebnisse/Frühindikatoren deuten also darauf hin, dass die Volkswirtschaften Deutschlands, der Eurozone und der USA ihren Wachstumshöhepunkt um den Jahreswechsel herum hatten, aber mit robustem, wenn auch etwas verlangsamtem Tempo weiter expandieren. Für die Aktienkurse bleibt dies eine solide Unterstützung.
Da allerdings die Markterwartungen etwas höher lagen, könnte dies den Abwärtstrend begünstigt haben, der mit dem Fed-Zinsentscheid eingeleitet wurde. Nun muss sich in den kommenden Tagen zeigen, ob es bei einer Seitwärtstendenz bleibt oder neue Korrekturtiefs markiert werden und damit eine zweite Abwärtswelle angerollt ist. Mit Blick auf den Chart des Dow Jones oben muss man mit Letzterem rechnen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus