In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich die Börsen kräftig erholt. Grund zur Freude? Viele Anleger meinen ja – schließlich wurde die Gefahr eines unmittelbaren Wirtschaftsschocks durch die massiven US-Zölle überraschend deutlich abgemildert. Doch wer nun glaubt, der gefährlichste Sturm sei überstanden, könnte sich täuschen.
Denn während Marktteilnehmer aufatmen, baut sich im Hintergrund eine Bedrohung auf, die potenziell schwerwiegender ist als alle Handelsstreitigkeiten der letzten Monate: ein fiskalpolitischer Schock, der das Wachstum der US-Wirtschaft massiv bremsen und sie im schlimmsten Fall bis Ende 2025 in eine Rezession schicken könnte.
In diesem Artikel analysiere ich die Entwicklungen, die genau zu dieser Sorge Anlass geben – Entwicklungen, die aktuell noch viel zu wenig Aufmerksamkeit erhalten.
Ein Defizit auf Rekordhöhe – mitten in der Vollbeschäftigung
Bereits zum Ende des ersten Quartals 2025 verzeichnete die US-Regierung ein Haushaltsdefizit von 7,0 % des Bruttoinlandsprodukts – auf annualisierter Basis. Für Friedenszeiten und eine Phase nahezu vollständiger Beschäftigung ist das ein Wert, der historisch beispiellos ist.
Ökonomen verschiedenster Ausrichtung sind sich in einem Punkt einig: Dieses strukturelle Ungleichgewicht ist auf Dauer nicht tragbar.
Die Korrektur dieses Defizits wird jedoch teuer erkauft werden müssen – nicht durch Geld, sondern durch den Preis eines wachstumsbremsenden Effekts. Und genau dieser „Preis“ könnte sich im Lauf des Jahres in Form einer konjunkturellen Abkühlung zeigen.
Der Status quo bremst bereits – auch ohne neue Gesetze
Es wäre ein Fehler zu glauben, dass eine Rezession nur durch neue Gesetze ausgelöst werden könnte. Bereits die derzeit gültige Haushaltslage führt zu einem sogenannten „fiskalischen Gegenwind“, der das Wachstum dämpft.
Laut dem Fiscal Impact Measure des renommierten Hutchins Center hätte der Rückgang des Defizitwachstums – also nicht das Defizit selbst, sondern das geringere Tempo, mit dem es sich vergrößert – das reale US-Wachstum im ersten Quartal 2025 um 0,63 Prozentpunkte reduziert. Für das zweite Quartal rechnet man bereits mit einem negativen Einfluss von 1,4 %.
Ein wichtiger Hinweis: Damit ist nicht gemeint, dass das Defizit in Dollar kleiner wird. Vielmehr wächst es langsamer als das nominale BIP. Doch selbst dieser relative Effekt sorgt dafür, dass sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt.
Exekutive Maßnahmen: Sparprogramm und neue Zölle
Neben diesem automatisch wirksamen „Gegenwind“ gibt es auch konkrete politische Eingriffe, die für zusätzliche Bremswirkung sorgen.
Unter der Regierung von Donald Trump wurden bereits mehrere fiskalisch straffende Maßnahmen umgesetzt:
1. DOGE-Sparprogramm:
Die eigens eingerichtete „Department of Government Efficiency“ (DOGE) hat zahlreiche Ausgabenkürzungen auf den Weg gebracht. Dazu zählen:
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Einschnitte bei der US-Entwicklungshilfe (USAID)
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Umstrukturierungen in diversen Behörden
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Programme für frühzeitigen Ruhestand im öffentlichen Dienst
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Kürzungen in nahezu allen Bundesministerien
DOGE selbst gibt an, damit Einsparungen von 170 Milliarden USD zu erzielen. Die konservative Schätzung beläuft sich jedoch auf etwa 100 Milliarden USD für den Rest des Jahres 2025 – auf annualisierter Basis.
2. Zollerhöhungen:
Ein pauschaler 10%-Zoll auf alle Importe sowie zusätzliche sektorspezifische Abgaben sollen jährlich rund 200 Milliarden USD einbringen. Das entlastet zwar den Haushalt – belastet aber den Binnenkonsum und auch die globale Nachfrage nach US-Gütern.
In Summe ergibt das eine fiskalische Straffung von rund 300 Milliarden USD – was einer Reduktion des Budgetdefizits um etwa 15 % entspricht.
Haushalt 2026: Die eigentliche Austerität steht noch bevor
Obwohl der vom Kongress beschlossene Haushalt erst im Oktober 2025 (Beginn des Fiskaljahres 2026) greift, hat die Regierung in ihrem „Skinny Budget“ bereits tiefgreifende Kürzungen bei nicht-militärischen Ausgaben angekündigt:
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Umweltbehörde (EPA)
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Bildungsministerium
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Wohnungs- und Stadtentwicklungsministerium (HUD)
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Internationale Entwicklungshilfe
Geplant sind Einsparungen von 163 Milliarden USD. Zwar sollen Verteidigung und Heimatschutz im Gegenzug stärker finanziert werden – allerdings zeitlich versetzt: Die Kürzungen kommen sofort, die erhöhten Ausgaben eher zur Wahlkampfzeit 2026.
Zudem ist geplant, im kommenden Haushalt Steuererleichterungen zu verankern. Doch deren Wirkung entfaltet sich erst ab April 2026. Die Zollbelastungen hingegen treffen bereits 2025 mit voller Wucht.
Ein weiterer Punkt: Die Einführung von zusätzlichen Steuern auf Universitätsstiftungen und gemeinnützige Organisationen wird sich zwar erst 2026 steuerlich auswirken, sorgt aber bereits jetzt für Einschränkungen in den Ausgabenplänen dieser Einrichtungen.
Können Konsum, Investitionen oder Exporte gegenhalten?
Einige Optimisten glauben, dass andere Bereiche der Wirtschaft den fiskalischen Schock ausgleichen könnten. Doch diese Hoffnung steht auf wackeligen Füßen:
Konsum: Die Ausgaben der privaten Haushalte haben sich bereits im Q1 verlangsamt. Die Konsumlaune – etwa gemessen am Consumer Sentiment Index der Universität Michigan – ist weiter extrem schwach.
Investitionen: Das Investitionsbild ist durchwachsen:
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Ausrüstungsinvestitionen wurden vorgezogen (Tarifangst) – was für die kommenden Quartale eine Flaute bedeutet.
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Wohnungsbau leidet unter hohen Zinsen und einem Überangebot.
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Große Investitionsankündigungen von US-Konzernen und ausländischen Unternehmen erscheinen politisch motiviert und dürften kurzfristig kaum Wirkung zeigen.
Außenhandel: Zölle senken zwar rechnerisch den Import – was das BIP rein technisch erhöht – doch diese Logik blendet aus, dass damit auch Transport, Vertrieb und Konsum der betroffenen Güter zurückgehen. Gleichzeitig reduzieren sich die Auslandsmärkte für US-Produkte, da andere Länder mit Gegenzöllen reagieren.
Rezession: Realistische Gefahr oder Schwarzmalerei?
Nimmt man alle Faktoren zusammen, ergibt sich ein potenzieller fiskalischer Bremsfaktor von rund 3,3 % des BIP (annualisiert):
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-1,3 % durch die verlangsamte Defizitausweitung
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-2,0 % durch aktive Sparmaßnahmen und Zölle
In einer Wirtschaft mit Vollbeschäftigung und einem Potenzialwachstum von etwa 2 % ist das eine enorme Kontraktion – ausreichend, um eine Rezession auszulösen.
Und da Konsum, Investitionen und Exporte aktuell keine überdurchschnittliche Entwicklung zeigen, ist es wahrscheinlicher denn je, dass die US-Wirtschaft in den kommenden 12 Monaten in eine milde Rezession abgleitet.
Was bedeutet das für Anleger?
Die Aktienmärkte spiegeln derzeit Optimismus über Wachstum und Unternehmensgewinne wider. Besonders Tech-Giganten – etwa die „Magnificent 7“ – sind hoch bewertet, weil sie mit starkem Gewinnwachstum gerechnet werden.
Doch wenn die US-Wirtschaft in eine konjunkturelle Rezession rutscht, werden diese Erwartungen enttäuscht.
Die hohen Bewertungen, besonders in großen Indizes wie dem S&P 500 und dem Dow Jones, machen sie verwundbar für Kursrückgänge. Im Fall einer echten Rezession ist es nicht unwahrscheinlich, dass diese Indizes unter ihre letzten Tiefs fallen und in einen echten Bärenmarkt eintreten.
Abschließende Gedanken
Das Zusammenspiel aus exekutiv verordneten Ausgabenkürzungen, zollbedingten Steuererhöhungen und vorzeitig wirksamer gesetzgeberischer Austerität bildet ein Szenario, das als klassischer fiskalischer Schock gelten kann.
Gerade weil nur wenige Analysten dieses Risiko aktuell auf dem Radar haben, könnte es für strategisch denkende Investoren durchaus Chancen bieten – insbesondere im Bereich Value und bei Absicherungsstrategien.
Eine detaillierte Auswertung dazu – inklusive möglicher Portfolio-Strategien – finden Sie im angehängten Video.