Fiskalrisiken rücken in den Fokus – Anleger schauen nach Washington

Veröffentlicht am 23.05.2025, 08:15

Die Unsicherheit rund um Inflation, Konjunktur und Handelspolitik sorgt weiterhin für Zurückhaltung bei den makroökonomischen Aussichten. Das stützt die Erwartung, dass die US-Notenbank die Zinsen bei den kommenden Sitzungen vorerst nicht anrühren wird.

Die Fed Funds Futures preisen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein, dass der Leitzins – aktuell bei 4,25 % bis 4,50 % – auf der nächsten FOMC-Sitzung am 18. Juni unverändert bleibt. Auch für die Juli-Sitzung rechnet der Markt mit einem Stillhalten. Eine erste Zinssenkung wird eher im September erwartet – wobei die Wahrscheinlichkeit dafür aktuell bei moderaten 65 % liegt.

Der US-Staatsanleihenmarkt scheint sogar noch etwas früher mit einer Zinssenkung zu rechnen: Die geldpolitisch besonders sensible Rendite der 2-jährigen Treasuries liegt nach wie vor deutlich unter dem aktuellen Leitzins. Das deutet darauf hin, dass viele Marktteilnehmer schon bald mit einer Lockerung der Geldpolitik rechnen.

2-jährige US-Rendite vs. effektiver Fed-Funds-Satz

Ein Punkt, über den weitgehend Einigkeit herrscht: Die gestiegene Unsicherheit erschwert verlässliche Prognosen zur kurzfristigen wirtschaftlichen Entwicklung. Alberto Musalem, Präsident der St. Louis Federal Reserve Bank, wies am Montag auf genau diese schwierige Gemengelage hin, die die US-Notenbank in eine abwartende Haltung zwingt:

„In dem Maße, in dem Investitionen und Neueinstellungen durch die Unsicherheit verzögert werden, dürfte sich das spürbar auf die wirtschaftlichen Aussichten auswirken. Ich möchte keine konkrete Zahl nennen, aber ich würde sagen: Die Auswirkungen sind ziemlich erheblich.“

Hinzu kommen politische Unsicherheiten: Die Debatten auf Bundesebene nehmen zu, und der Anleihemarkt richtet den Fokus zunehmend auf das US-Haushaltsdefizit. Besonders im Blick steht das Haushaltsgesetz, das derzeit im Repräsentantenhaus diskutiert wird und möglicherweise das Defizit weiter in die Höhe treibt.

„Wir haben mit einer Verschiebung im Narrativ gerechnet – weg von positiven Handelsnachrichten, hin zu fiskalischen Risiken. Das könnte eine neue Runde von ’Sell the US’ auslösen: also steigende langfristige Renditen, schwächere Risikoaktiva und ein nachgebender US-Dollar“, schrieb Citi-Analyst Daniel Tobon am Montag in einer Mitteilung an Kunden.

Nach der Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit durch Moody’s (NYSE:MCO) am Freitag ist das fiskalische Risiko noch stärker ins Zentrum gerückt. Für den Kongress steigt damit der Handlungsdruck, das Defizit in den Griff zu bekommen. Aktuell fehlt dafür allerdings offenbar der politische Wille. Die Financial Times berichtet:

„Das überparteiliche Komitee für einen verantwortungsvollen Bundeshaushalt schätzt, dass das Gesetz die Staatsverschuldung bis Ende 2034 um mindestens 3,3 Bio. USD erhöhen würde. Die Schuldenquote würde von aktuell 100 % auf den Rekordwert von 125 % steigen. Zum Vergleich: Nach geltendem Recht war bislang ein Anstieg auf 117 % prognostiziert. Gleichzeitig würden die jährlichen Defizite von rund 6,4 % des BIP im Jahr 2024 auf 6,9 % steigen.“

Noch liegt kein fertiger Gesetzentwurf vor, aber die bisherigen Entwürfe deuten auf steigende Defizite in den kommenden Jahren hin – ein Trend, der von vielen Seiten kritisiert wird.

„Es ist an der Zeit, dass die politischen Entscheidungsträger innehalten, zurück ans Zeichenbrett gehen und einen Plan vorlegen, der unser Land tatsächlich auf einen nachhaltigen finanzpolitischen Kurs bringt“, sagte Maya MacGuineas, Präsidentin des Komitees für einen verantwortungsvollen Bundeshaushalt. „Unsere Zinsausgaben steigen rapide und liegen bereits über den jährlichen Ausgaben für Verteidigung oder Medicare.“

Die Trump-Regierung hält dagegen: Der Gesetzentwurf, über den im Repräsentantenhaus diskutiert wird, erhöhe das Defizit nicht, so Karoline Leavitt, Sprecherin des Weißen Hauses, am Montag. Laut dem Council of Economic Advisers seien darin sogar Einsparungen von 1,6 Bio. USD enthalten – die größte Einsparung, die je in einem Gesetz auf den Weg gebracht wurde, das den Capitol Hill passiert hat.

Am Ende wird wohl der Anleihemarkt das letzte Wort haben. Besonders im Blick: die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen, die als Gradmesser für das Vertrauen in die US-Finanzpolitik gilt. Aktuell liegt sie bei 4,49 % – leicht unter dem Januar-Hoch von rund 4,80 %. Sollte sich dieser Wert der 5 %-Marke nähern, wäre das ein deutliches Signal: Der Markt beginnt, das Vertrauen in die Fähigkeit der US-Regierung zu verlieren, ihre Ausgaben unter Kontrolle zu halten.

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