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Zinswende voraus?

Veröffentlicht am 14.11.2019, 12:21
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Einerseits will Donald Trump in seinem Präsidentschaftswahlkampf nicht auf das Thema Handelskrieg verzichten. Andererseits jedoch kommt auch der American Eagle nicht ohne Handels-Schmerzen davon. So ist das eben mit der Globalisierung.

Trump First: Auch der US-Präsident ist sich selbst der Nächste

Überhaupt, während Staatspräsident Xi so etwas wie der „Heilige Vater aus China“ ist, der wie der Papst auf Lebenszeit ernannt ist, muss sich der US-Präsident demnächst den Wählern stellen. Die herben Niederlagen, die seine Republikaner kürzlich bei den Gouverneurswahlen in ihren Hochburgen Virginia und Kentucky einsteckten, zeigen Trump, was ihm am 3. November 2020 blüht, wenn es zu handelsseitigen Reibungsverlusten in der US-Konjunktur und am Aktienmarkt käme. Auch das Amtsenthebungsverfahren, das gegen ihn läuft, ist kein Empfehlungsschreiben für noch einmal vier Jahre im Weißen Haus.

Dass insofern ein bisschen Handels-Frieden Trump ganz persönlich zugutekäme, spricht dafür, dass es ein bisschen Pax Trump geben wird.

Tatsächlich hellen sich die weltweiten Frühindikatoren allmählich auf. Selbst die ZEW Konjunkturerwartungen sind sprunghaft angestiegen. Das ist bemerkenswert, da die hier befragten Analysten gegenüber den vom ifo Institut direkt befragten Unternehmen immer wieder gerne eine besonders düstere Konjunktureinschätzung an den Tag legen.

Eine Konjunktur-Schwalbe macht noch keinen Zins-Winter

Geht also die Happy Hour niedrigster Zinsen zu Ende? Kommt es zu einer weltkonjunkturellen Erholung, ist dann der Abwärtstrend von Zinsen und Anleiherenditen nicht nur gestoppt, sondern sogar reif für eine merkliche Gegenbewegung? Immerhin hat die Durchschnittsrendite 10-jähriger Staatspapiere aus den USA, Deutschland und Japan bereits leicht nach oben gedreht. Würden die drei großen Notenbanken weltkonjunkturbedingt wirklich die große Zinswende wagen, würde viel Wasser in den bislang so süßen Aktien-Wein gegossen.

Aber immer ruhig mit den jungen Pferden! Selbst wenn die Frühindikatoren als soft facts Besserung signalisieren, werden die Notenbanken den Teufel tun und nicht vor Offenbarung wirklich harter Konjunkturfakten an Umkehrschub denken. Denn was wäre, wenn der gute Donald Trump ein Golfspiel verliert und seiner Enttäuschung darüber mit einem handelskriegerischen Tweet Luft macht? Würde sich die Wirtschaftserholung dann doch nicht einstellen und müsste die internationale Geldpolitik doch wieder freizügiger werden, hätte sie viel an Reputation und damit auch an zukünftiger Handlungsfähigkeit verloren. Bei Aprilwetter-launigen Präsidenten sollte man immer die dicke Jacke und den Regenschirm dabeihaben.

Die Geldpolitik hat „Platzangst“

Ohnehin geht es den Notenbanken um viel mehr als nur Konjunkturfragen. Die Fed als Mutter aller Notenbanken ist ein gebranntes Kind der Finanzkrise 2008. Mit ihren Zinserleichterungen hatte sie im Vorfeld einen Immobilienboom ausgelöst und anschließend mit einer Verfünffachung der Leitzinsen seinen Crash verursacht. Damals wurde aus der Immobilien- zügig eine Schuldenkrise, die um ein Haar das Ende des Finanzsystems bedeutet hätte.

Und heute sind die Systemrisiken noch größer. Heute hat die Welt etwa 50 Prozent mehr Schulden als vor der Finanzkrise. Wir sprechen von einer Gesamtverschuldung von ca. 260 Bio. US-Dollar. Die Fallhöhe einer internationalen Schuldenkrise 2019 ist also deutlich größer als 2008. Dieses Monster, diese größte Anlageblase aller Zeiten, kann nur durch anhaltende künstliche Zinsdrückung der Notenbanken am Platzen gehindert werden.

Vor diesem Hintergrund betreibt auch die EZB mit ihren seit November 2019 revitalisierenden Anleihekäufen in Höhe von monatlich 20 Mrd. Euro systemerhaltende Maßnahmen. Ohnehin muss sie als Schutzpatronin ebenso die (sozial-)politischen Fliehkräfte einer wenig harmonischen Eurozone bändigen. Sie muss den Euro-Laden zusammenhalten. Strategisch vorausschauend hat dieses Ankaufprogramm daher keine zeitliche Befristung. Die EZB kann also auch morgen und übermorgen noch alle Schuldenrisiken in Liquidität ersäufen. Mehr als die gesamte Neuverschuldung der Eurozone ist gedeckt. Das ist unverhohlene Staatsfinanzierung. Politische Stabilität der Eurozone geht grundsätzlich vor Finanzstabilität. Wundern Sie sich jetzt immer noch, warum Christine Lagarde und nicht Jens Weidmann das EZB-Zepter schwingt?

Internationale Zinsanstiege würden die Tragfähigkeit der Schuldenwelt torpedieren und damit auch die Aktienmärkte crashen lassen. Das gäbe der Weltkonjunktur psychologisch den Rest. Die nächste Finanzkrise ist der letzte, der Super-GAU für die Finanzwelt. Game over!

Und wenn dich dein Zins nicht liebt, wie gut, dass es Aktien gibt

So sehr man sich aus Gründen deutscher Stabilitätskultur die Rückkehr zu normalen Zinsen in der Theorie wünscht, praktisch ist es eine Illusion, wenn nicht sogar die Lebenslüge von Notenbanken. Das geldpolitische Breitbandantibiotikum gegen Systemrisiken muss weiter verabreicht werden. Daher wird selbst eine Beruhigung im Handelskrieg keine merkliche Zins- und Renditebeschleunigung lostreten.

Schon aufgrund ihrer Dividendenphantasie bleiben Aktien im Vergleich auf der Überholspur. Nicht zuletzt erlauben niedrige Zinsen höhere Bewertungen am Aktienmarkt. Und ein Teil-Frieden im Zollstreit käme als fundamentales Zuckerstückchen insbesondere für konjunktur- und exportabhängige Aktien noch hinzu.

Insgesamt spricht für eine wirkliche Zinswende wenig, eigentlich nichts.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725

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