Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
gestern vor genau acht Jahren, am 6. März 2009, markierten der Dow Jones und der S&P 500 ihre Tiefs nach dem Crash während der Finanzkrise. Den anderen großen Indizes weltweit gelang das einen Handelstag später. Und von wenigen Ausnahmen abgesehen, ließen die Indizes die damaligen Kurse bis gestern hinter sich. Damit feiert der laufende Bullenmarkt gestern seinen achten Geburtstag. Gibt es bald einen neuen längsten Bullenmarkt?
Im Dow Jones ist der aktuelle Bullenmarkt damit bisher der zweitlängste der Geschichte (wenn man das häufig verwendete Kriterium eines 20%-igen Kursrückgangs als Maßstab für das Ende eines Bullenmarkts nimmt). Und in wenigen Tagen könnte er sogar den bisher längsten Bullenmarkt von 1921 bis 1929 überholen.
Die Länge eines Bullenmarkts ist natürlich kein verlässlicher Hinweis darauf, wann er zu Ende geht. Aber zusammen mit den anderen Hinweisen, die wir Ihnen in den vergangenen Wochen hier gegeben haben (siehe z.B. Börse-Intern vom 15.02.2017), ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass in den kommenden Wochen an den US-Märkten eine größere Korrektur einsetzen könnte. Auch für den DAX ist das weitere Potenzial – so kurz vor dem Allzeithoch – wohl begrenzt (siehe Börse-Intern vom 26.01.2017).
Wichtiger Ausbruch im Euro STOXX 50
In der vergangenen Woche ist endlich auch der Euro Stoxx 50 nach oben ausgebrochen. Er kämpfte seit Anfang des Jahres mit einer untergeordneten Widerstandszone von Ende 2015 (siehe blaues Rechteck im folgenden Chart). Im Gegensatz z.B. zum DAX konnte er bisher noch nicht einmal das markante Zwischenhoch von Anfang Dezember 2015 überwinden (rote Linie).
(Quelle: MarketMaker)
Die rote Linie könnte damit für den Euro STOXX 50 das werden, was das Allzeithoch von 2015 für den DAX ist. Unglücklicherweise wird dieser Widerstandsbereich im Euro STOXX 50 bei knapp 3.525 Punkten noch durch eine andere Hürde verstärkt. Diese ist aus langfristiger Sicht mindestens ebenso bedeutsam wie das Allzeithoch im DAX. Damit reiht sich auch der Euro STOXX 50 unter diejenigen Indizes ein, deren kurz- bis mittelfristiges Aufwärtspotenzial begrenzt ist.
Eine mächtige Hürde
Diese mächtige Hürde für den Euro STOXX 50 ist nur im Langfristchart erkennbar:
(Quelle: MarketMaker)
Es ist die Abwärtslinie über die Hochs der Jahre 2000 und 2007 (blau). Damals ist der Kurs insgesamt sieben Mal (!) an dieser Linie gescheitert. Erst 2015 erreichte der Euro STOXX 50 diese Linie wieder. Dann gab es sogar zwei Ausbruchversuche, die aber beide als Fehlausbrüche endeten. Im Juli 2015 prallte der Kurs erneut nachhaltig ab. Nun, rund zwei Jahre später, könnte der nächste Versuch starten.
Im Langfristchart sehen Sie, dass der Euro STOXX dabei kurz nach dem Zwischenhoch von Ende 2015 (rote Linie) auf die blaue Abwärtslinie träfe. Außerdem kreuzt sich Ende April die blaue Linie mit der Unterkante des alten Aufwärtstrends seit 2011 (grüne Linien) und der Oberkante des aktuellen Aufwärtstrends seit Juni 2016 (schwarze Linie).
Wie es zu dem typischen Saisonmuster kommen könnte
In der klassischen Charttechnik ist ein solcher Kreuzungspunkt ein Kreuzwiderstand, in der Target-Trend-Methode ein Target (das die Kurse sogar anziehen kann). Die blaue Linie durchschneidet den aktuellen (schwarzen) Aufwärtstrends zudem bis Anfang September. Der Euro STOXX 50 könnte also zwischen April/Mai und August/September entlang der blauen Linie in eine Konsolidierung übergehen, ohne den schwarzen Trend zu verlassen. Er würde damit das typische saisonale Muster einer tendenziellen Schwäche in diesen Monaten durchlaufen.
Falls ihm dennoch der Sprung über die blaue Linie gelingt, warten dort – bis zum Hoch von 2015 bei 3.836 Punkten – weitere Widerstände. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass es in den kommenden Wochen und Monaten zwischen gut 3.500 und etwa 3.800 Punkten zu einer Konsolidierung im Euro STOXX 50 kommt.
Warum trotz negativer Rahmenbedingungen die Rally weitergehen könnte
Passend dazu gibt es mit den Wahlen in Frankreich und Deutschland in diesem Zeitraum auch mindestens zwei fundamentale Ereignisse, die für Unsicherheit sorgen und die Kurse in die Konsolidierung schicken könnten.
Allerdings dürfte diese Unsicherheit bereits weitgehend in den aktuellen Kursen eingepreist sein. Es ist also möglich, dass selbst eine merkliche Verschiebung der etablierten politischen Kräfteverhältnisse nicht mehr zu Kursrückschlägen führt – siehe Brexit. Aufgrund der deutlichen Überbewertung der US-Märkte ist sogar eine relative Stärke der europäischen Märkte und damit des Euro STOXX 50 denkbar – wenn die Anleger womöglich von USA nach Europa umschichten.
Sie sollten daher aufmerksam beobachten, wie sich der Euro STOXX 50 an der blauen Linie verhält. Markante Signale der Stärke dürften dann klar bullish sein und könnten auf eine Fortsetzung der Rally hindeuten. Ein zögerliches Kursverhalten an der blauen Linie oder gar Rückschläge wären hingegen Indizien dafür, dass der Euro STOXX 50 noch einen weiteren Anlauf braucht, um diese Hürde zu überwinden.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert