München (Reuters) - Der im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren Haft verurteilte Ralf Wohlleben kommt vorerst auf freien Fuß.
Weil Wohlleben bereits sechs Jahre und acht Monate in Untersuchungshaft saß und das Urteil von vergangener Woche noch nicht rechtskräftig ist, sahen das Oberlandesgericht München und die Bundesanwaltschaft keine Notwendigkeit mehr für eine Verlängerung der Haft. "Der Haftbefehl war nach den gesetzlichen Vorschriften aufzuheben, weil nach aktuellem Verfahrensstand keine Gefahr mehr besteht, dass sich der Angeklagte dem Verfahren durch Flucht entziehen könnte", teilte das Gericht am Mittwoch mit. Prozessbeteiligte hatten mit einer Freilassung gerechnet, da die Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet wird.
Der Verfassungsschutz in Thüringen kündigte an, den früheren NPD-Funktionär nach seiner erwarteten Rückkehr in seine Heimat im Blick zu behalten. "Er ist ein Held in der Szene. Er hat stets geschwiegen. Wir werden aber ein besonderes Auge auf ihn haben", sagte der Chef des thüringischen Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".
Das Gericht hatte Wohlleben wegen Beihilfe zu neun Morden verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er die Pistole beschaffte, mit der die Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" neun ihrer zehn Mordopfer umbrachte. Wohllebens Verteidiger wollen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof anfechten. Bis zu einer Entscheidung können noch Monate oder sogar Jahre vergehen. Nach Gerichtsangaben haben auch die übrigen Verurteilten und die Bundesanwaltschaft Revision eingelegt.
In dem Prozess um die Morde und Bombenanschläge des NSU hat der Strafsenat die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Sie ist nun die einzige Angeklagte aus dem Prozess, die noch in Untersuchungshaft sitzt. Drei weitere als Helfer und Unterstützer verurteilte Männer müssen jeweils mehrere Jahre ins Gefängnis, falls das Urteil rechtskräftig wird. Einer der drei saß ebenfalls in Untersuchungshaft und wurde vom Gericht nach der Urteilsverkündung freigelassen. Der Senat sah bei ihm ebenfalls keine Fluchtgefahr mehr, nachdem das Strafmaß bei ihm mit zweieinhalb Jahren niedriger ausfiel als zunächst erwartet.
Dem Gericht zufolge war Zschäpe Mitglied der NSU-Gruppe, die zwischen 2000 und 2007 aus rechtsextremen Motiven neun Männer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin ermordete. Zschäpes Gefährten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten sich bei ihrer Enttarnung das Leben genommen.