Hamburg (Reuters) - Hamburg führt wegen der hohen Stickoxidbelastung als erste Großstadt Diesel-Fahrverbote ein.
Die vom Senat bereits vor einem Jahr beschlossenen Durchfahrtsbeschränkungen für zwei Straßenabschnitte im Stadtteil Altona sollen am 31. Mai in Kraft treten, teilte die Stadt Hamburg am Mittwoch mit. Zuvor hatten mehrere Behörden die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts daraufhin geprüft, ob sich dadurch für die Hansestadt Änderungen ergeben. Das Gericht hatte Ende Februar den Weg für Dieselfahrverbote als letztes Mittel zur Luftreinhaltung freigemacht. Die Beschränkungen im Stadtteil Altona gelten für alle Diesel-Fahrzeuge, die die neue Abgasnorm Euro 6 (Pkw) beziehungsweise VI (Lkw) nicht erfüllen. Die Schilder stehen bereits.
Die Bundesregierung und die Automobilindustrie wollen Fahrverbote vermeiden und setzten stattdessen auf andere Maßnahmen, um die Luft in Städten zu verbessern. Wirksam sei beispielsweise eine intelligente Verkehrslenkung und die Nachrüstung von Diesel-Bussen, erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). "Fakt ist, dass wir in den letzten Jahren den Schadstoffausstoß im Verkehr schon um bis zu 70 Prozent gesenkt haben." Die Bundesregierung führe Gespräche mit besonders belasteten Städten, um ihnen bei der Luftreinhaltung zu helfen. "Wir müssen das Problem an den Wurzeln angreifen. Generelle Fahrverbote sind keine akzeptable Lösung", betonte Scheuer. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer wies Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verantwortung für das Hamburger Fahrverbot zu: "Ihre Politik des Zögerns und Zauderns ist krachend gescheitert. Die Verlierer sind einmal mehr Pendler und Handwerker."
BLICK AUCH AUF CO2
Auch der Branchenverband VDA betonte, es gebe bessere Instrumente als Fahrverbote. Allein die Erneuerung des Fahrzeugbestands durch moderne Dieselfahrzeuge werde in den kommenden Jahren zu einer erheblichen Steigerung der Luftqualität führen. Bereits 2017 seien 1,1 Millionen neue Euro-6-Diesel auf die Straße gekommen. Der Verband verwies zudem auf die Software-Updates, Umstiegsprämien und die Beteiligung am Mobilitätsfonds von Bundesregierung und Auto-Industrie, mit dem Fahrverbote für Diesel vermieden werden sollen. Die Industrie setzt auf den Selbstzünder, weil sie ohne ihn glaubt, die schärferen CO2-Vorgaben nicht erfüllen zu können.
In Hamburg betroffen ist ein 580 Meter langer Straßenabschnitt der Max-Brauer-Allee und ein 1,7 Kilometer langer Abschnitt der Stresemannstraße, der nur für ältere Diesel-Lkw gesperrt werden soll. Auf der Max-Brauer-Allee soll das Durchfahrtsverbot für Pkw und Lastwagen gelten. Die Stadt hatte bereits vergangene Woche begonnen, mehr als 100 Verbots- und Umleitungsschilder aufzustellen. Diese sind noch mit roten Plastikkreuzen ungültig gemacht, bis die Fahrverbote gelten. Nach einer Übergangszeit soll die Polizei mit Kontrollen beginnen.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte Ende Februar exemplarisch an den Fällen Stuttgart und Düsseldorf entschieden, dass Dieselfahrverbote in Städten als letztes Mittel zur Luftreinhaltung möglich sind. Die Einführung müsse aber verhältnismäßig - das heißt vor allem mit zeitlichem Vorlauf - sein. Als erste Großstadt hatte Hamburg damals bereits angekündigt, ab April die beiden vielbefahrenen Straßen für alle Diesel bis zum Standard Euro 5 zu sperren.
Die Hansestadt hatte im Juni 2017 einen Luftreinhalteplan aufgestellt. Als eine von mehreren Maßnahmen hatte der Senat an den beiden Straßenabschnitten auch Durchfahrtsbeschränkungen für ältere Dieselfahrzeuge beschlossen. Daneben soll der Öffentliche Personennahverkehr verbessert, Radwege ausgebaut und der Einstieg in die Elektromobilität gefördert werden.
BADEN-WÜRTTEMBERG PRÜFT NOCH
Das Landesverkehrsministerium von Baden-Württemberg teilte mit, die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts werde noch geprüft. Danach werde ein Luftreinhalteplan aufgestellt, der im Anschluss in der Koalition beraten werden solle. Vermutlich in der Sommerpause werde ein öffentliches Anhörungsverfahren beginnen. Geplant sei, dass der Luftreinhalteplan bis zum Ende des Jahres in Kraft trete, sagte ein Ministeriumssprecher. Eine Sprecherin der Düsseldorfer Bezirksregierung erklärte: "Das ist eine rechtlich komplizierte Materie. Daher wird die anwaltliche Prüfung noch dauern."
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte vergangene Woche erklärt, das Land arbeite an alternativen Maßnahmen zu Fahrverboten. Sollten sie dennoch notwendig sein, könnten sie nach seiner Ansicht nicht vor dem 1. September 2019 eingeführt werden. Beschlossen sei in der grün-schwarzen Landesregierung aber noch nichts.