Berlin (Reuters) - Die Maghreb-Staaten Tunesien, Marokko und Algerien sowie Georgien sollen künftig als sichere Herkunftsländer gelten.
Das Bundeskabinett gab am Mittwoch grünes Licht für einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer. Der CSU-Chef kündigte an, dass er im Herbst ein weiteres Gesetz auf den Weg bringen will. Darin sollen weitere Länder, deren Asyl-Anerkennungsquote unter fünf Prozent liegt, zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Der Minister stellte sich zugleich hinter die umstrittene Abschiebung des mutmaßlichen Leibwächters von Osama bin Laden nach Tunesien. Das zuständige Land Nordrhein-Westfalen habe im Fall Sami A. "nach Recht und Gesetz" entschieden.
Das Gesetz soll die Bearbeitung der Asylanträge von Menschen aus den vier Staaten beschleunigen. Die Koalition erhofft sich dadurch auch schnellere Rückführungen, vor allem aber insgesamt weniger Asylsuchende aus diesen Ländern. 2017 wurden nach Angaben des Innenministeriums 8700 Asylanträge von Angehörigen der vier Staaten angenommen. Die Anerkennungsquote für Menschen aus Georgien betrage aber nur 0,6 Prozent, für Algerien zwei Prozent, für Marokko 4,1 Prozent und für Tunesien 2,7 Prozent. Asylbewerber und Geduldete, die spätestens am Tag des Kabinettsbeschlusses eine Berufsausbildung aufgenommen haben oder in einer Beschäftigung stehen, sollen diese fortsetzen können.
Ein Gesetz zur Einstufung der Maghreb-Staaten als sicher war schon in der vergangenen Legislaturperiode vom Bundestag beschlossen worden, aber im März 2017 am Widerstand der Grünen im Bundesrat gescheitert. Die große Koalition ist auch dieses Mal auf die Zustimmung von mindestens zwei von den Grünen mitregierten Ländern angewiesen. Grünen-Chef Robert Habeck sagte, noch immer gelte, dass in den Maghreb-Staaten Journalisten, Minderheiten und Homosexuelle "nicht sicher sind vor Verfolgung und Haft". Daher sehe er nicht, dass diese Staaten sicher seien, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg signalisierte indes eine mögliche Zustimmung. Seehofer ließ offen, wie er die Grünen ins Boot holen will. Darüber werde im Herbst gesprochen, wenn die Forderungen der Länder bekannt seien.
SEEHOFER: ABSCHIEBETERMIN WAR MIR NICHT BEKANNT
Zur Abschiebung von Sami A. sagte Seehofer, ihm habe am 11. Juli ein Vermerk dazu vorgelegen. Ein Termin sei dort aber nicht genannt worden. Seehofer schloss nicht aus, dass der 13. Juli als Abschiebetermin aber in seinem Ressort bekannt gewesen sein könnte. "Jedenfalls mir war es nicht bekannt." Selbst wenn der Termin aber im Vermerk gestanden hätte, hätte er keine Prüfung veranlasst. "Ich muss mich darauf verlassen, dass die dafür zuständigen Behörden nach Recht und Gesetz handeln", sagte Seehofer. Der Tunesier war abgeschoben worden, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen dies untersagt hatte. Der Beschluss war den Behörden aber erst am Freitagmorgen zugegangen, als A. sich schon auf dem Flug befand. Das Gericht hat die Rückholung angeordnet, wogegen die Stadt Bochum Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt hat.
Am Dienstag war ein weiterer Fall einer rechtswidrigen Abschiebung bekanntgeworden. Wie das Verwaltungsgericht Greifswald bestätigte, befand sich unter den am 3. Juli abgeschobenen 69 Afghanen ein 20-Jähriger, dessen Klageverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Seehofer hatte vergangene Woche gesagt, dass ausgerechnet an seinem 69. Geburtstag, dem 4. Juli, 69 Afghanen abgeschoben worden seien. Die Personen waren an diesem Tag in Afghanistan angekommen. Einer von ihnen hat sich in Kabul das Leben genommen.
Seehofer zeigte sich offen für die Forderung der SPD, die Zuständigkeit für ausreisepflichtige Gefährder beim Bundesinnenminister anzusiedeln. Darüber werde man mit den Ländern sprechen, kündigte er an.