- von John Irish
Paris (Reuters) - Unter Präsident Emmanuel Macron deutet sich ein Wandel in der langjährigen Außenpolitik Frankreichs an: Statt Interventionismus dürfte es künftig mehr Diplomatie geben, die vor allem dem Ziel der nationalen Sicherheit dient.
Bislang war Frankreich aus ideologischen Gründen rasch dabei, sich an militärischen Interventionen zu beteiligen, etwa in Libyen, Mali oder der Zentralafrikanischen Republik. Dies dürfte sich nun ändern. Was den Kampf gegen den Terrorismus angeht, richtet Macron die Außenpolitik mehr an den USA aus. Gleichzeitig strebt er bessere Beziehungen zu Russland an, das er langfristig eher als Partner denn als direkte Bedrohung für Europa ansieht.
Nirgendwo wird der Politikwandel deutlicher als im Syrien-Konflikt. So vollzog Macron eine Kehrtwende in der Einschätzung der Rolle von Präsident Baschar al-Assad. Dessen Entmachtung ist für ihn nicht mehr Voraussetzung für eine Lösung.[nL8N1JI5NB] Seit 2011 verlangte Frankreich offen den Abtritt Assads und unterstützte dessen Gegner. Dies brachte Frankreich in Gegensatz zu Russland, Assads wichtigsten Verbündeten. Macrons Vorgänger, Francois Hollande, warf Russland Kriegsverbrechen vor. Solch öffentliche Kritik haben der neue Präsident und sein Außenminister Jean-Yves Le Drian fallenlassen. Die Regierung wolle alles tun, damit es zu einem Dialog mit Russland komme und der Weg an den Verhandlungstisch wieder frei werde, verlautete aus dem Umfeld Macrons.
Seine dringlichste Aufgabe sieht der neue Präsident Diplomaten und Regierungsvertretern zufolge darin, die islamistischen Extremisten im Nahen Osten zu schwächen, die Frankreich bedrohen. Diplomatische Initiativen sollten nur dann gestartet werden, wenn sie konkrete Ergebnisse versprächen. "Mit mir wird die Art von Neo-Konservatismus aufhören, der in den vergangenen zehn Jahren nach Frankreich importiert wurde", sagte Macron in einem Interview. Sein Land müsse den strukturellen Zusammenhang und die Stärke einer internationalen Politik wiederentdecken, die Vertrauen schaffe, und eine unnachgiebige Sicherheitspolitik verfolgen, nämlich den Terrorismus zu bekämpfen.
DIPLOMAT: MACRON WEISS UM BEGRENZTEN EINFLUSS FRANKREICHS
Die Interventionspolitik Frankreichs und der strikte Säkularismus haben das Land besonders zum Ziel islamistischer Extremisten werden lassen. Im November 2015 wurden in Paris 130 Menschen Opfer solcher Angriffe. Weitere Hundert Menschen wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren bei anderen islamistischen Anschlägen in Frankreich getötet. Diplomaten zufolge hat die Politik von Macrons Vorgängern, Hollande und Nicolas Sarkozy, das Land in der Schusslinie gehalten, während sich andere, wie die USA oder Großbritannien, aus außenpolitischen Abenteuern etwas zurückgezogen hätten.
Macron wolle sich mit seiner Regierung auf Gebiete konzentrieren, wo Lösungen erreicht werden könnten und es Frankreich Nutzen bringe, sagt ein in Paris beheimateter Nahost-Diplomat. Macron habe erkannt, dass Frankreichs Einfluss begrenzt sei.
Der Verbleib von Le Drian im Kabinett - unter Hollande war er Verteidigungsminister - wird weitgehend als Zeichen gesehen, dass Macron dessen enge Beziehungen etwa zu Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sissi oder Tschads Präsident Idriss Deby nutzen will. Ziel ist, Truppen in den Regionen aufzubauen, in denen Frankreich nicht mehr selbst intervenieren will. Ein Beispiel dafür ist der Frankreichs Vorstoß bei den Vereinten Nationen, eine neue regionale Anti-Terrortruppe in Westafrika zu schaffen, die die dort stationierten 4000 französischen Soldaten unterstützen soll. Ein weiteres Beispiel ist Frankreichs stillschweigende Unterstützung des libyschen Milizenchefs Chalifa Haftar im Kampf gegen islamistische Extremisten.