Frankfurt (Reuters) - Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter bleibt wegen des Vorwurfs des Insider-Handels unter Druck.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt widersprach der Darstellung des Konzerns, dass sie die Ermittlungen gegen Kengeter ohne Auflagen einstellen könnte. "Wir haben noch keine Angaben gemacht zum Verfahren mit Herrn Kengeter", sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Die Behörde habe lediglich ein Anhörungsschreiben im Verfahren gegen den Konzern selbst geschickt. "Alles andere ist offen." Auch von anderen Stellen droht dem Manager noch Ärger: Die hessische Börsenaufsicht prüft die Zuverlässigkeit des gesamten Vorstands, und die Finanzaufsicht Bafin nimmt die am Dienstag veröffentlichte Ad-hoc-Mitteilung des Konzerns unter die Lupe.
Darin hatte der Börsenbetreiber erklärt, die Staatsanwaltschaft habe in Aussicht gestellt, das Ermittlungsverfahren gegen Kengeter ohne Auflagen einzustellen. Die Deutsche Börse selbst soll zwei Geldbußen in Höhe von insgesamt 10,5 Millionen Euro zahlen: 5,5 Millionen wegen des Vorwurfs des Insiderhandels sowie fünf Millionen wegen der verspäteten Information über die letztendlich gescheiterten Fusionsgespräche mit der London Stock Exchange (LON:LSE). Zumindest beim Vorwurf des Insiderhandels geht die Staatsanwaltschaft von Vorsatz bei der Deutschen Börse aus.
Kengeter hatte im Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro Aktien des Börsenbetreibers gekauft - zwei Monate, bevor die Fusionspläne mit der LSE öffentlich wurden. Diese hatten den Aktienkurs massiv nach oben getrieben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft gab es zu diesem Zeitpunkt bereits Gespräche mit der LSE. Kengeter hält die Anschuldigungen für haltlos: "Insiderhandel widerspricht allem, wofür ich stehe", sagte er auf der Hauptversammlung im Mai. Auch die Deutsche Börse hat sich hinter ihn gestellt. Der Vorstandschef habe die Aktien im Rahmen eines Vergütungsprogramms gekauft, mit dem Aufsichtsratschef Joachim Faber den ehemaligen Investmentbanker langfristig an die Börse binden wollte.
VERTRAGSVERLÄNGERUNG AUF EIS
In dem Schreiben der Staatsanwaltschaft an die Börse werden auch schwere Vorwürfe gegen Kengeter selbst erhoben, wie eine Person mit Kenntnis des Dokuments sagte. Die Ermittler werfen Kengeter demnach vor, bei der Annahme des Vergütungsprogramms nicht nur fahrlässig sondern mit Vorsatz gehandelt zu haben. Die "Wirtschaftswoche" hatte berichtet, die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass Kengeter mit "bedingtem Vorsatz" gehandelt habe. Die Behörde und die Deutsche Börse wollten sich zu dem Vorwurf nicht äußern. Die Deutsche Börse prüft zurzeit das Schreiben der Staatsanwaltschaft. So lange der Konzern die Geldbuße nicht akzeptiert habe, sei das Verfahren offen, sagte ein Sprecher.
Die Deutsche Börse und Kengeter hoffen seit Monaten auf ein Ende der Ermittlungen. Sein Vertrag läuft noch bis März 2018, er sollte eigentlich schon längst verlängert werden. Solange die Vorwürfe nicht aus dem Weg geräumt sind, ist daran aber nicht zu denken. In Hessen hat sich Kengeter wegen der letztendlich gescheiterten Fusionspläne mit der LSE zahlreiche Feinde gemacht. Viele fürchteten, der Finanzplatz Frankfurt könnte an Bedeutung verlieren.
Die im hessischen Wirtschaftsministerium angesiedelte Börsenaufsicht fahndet bei ihrer Zuverlässigkeitsprüfung im Vorstand der Deutschen Börse nach Verantwortlichen für mögliche Rechtsverstöße. Die Untersuchung dauere an, zu Ergebnissen könne man sich daher nicht äußern, erklärte die Behörde. Ein Insider sprach von einem außergewöhnlichen Schritt. Der Ausgang sei offen. Wegen der Vorwürfe gegen Kengeter werde es schwierig für alle Beteiligten, sagte eine zweite mit der Angelegenheit vertraute Person. Sollte die Börsenaufsicht Kengeter oder andere Vorstände als nicht zuverlässig einstufen, kann die Behörde sie abberufen.