- von Ece Toksabay und Ellen Francis und Tuvan Gumrukcu
Beirut/Ankara (Reuters) - Im Norden Syriens steigt das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen den Nato-Partnern Türkei und USA.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte der von den USA unterstützten syrischen Kurdenmiliz YPG am Mittwoch mit einer großflächigen Bekämpfung. Angefangen werde damit in der nordsyrischen Region Manbidsch. Dort haben die Amerikaner Militärpersonal stationiert - anders als im weiter westlich gelegenen Afrin, wo seit mehreren Tagen ein türkischer Luft- und Bodeneinsatz gegen die YPG läuft. Ein Sprecher der von den USA angeführten internationalen Militärallianz zur Bekämpfung der radikalislamischen IS-Miliz erklärte: "Die Koalitionskräfte sind in dem Gebiet (um Manbidsch) und sie haben das inhärente Recht, sich selbst zu verteidigen. Wenn nötig, werden sie das tun."
In dem türkischen Grenzort Kilis schlugen unterdessen nach Angaben lokaler Behörden zwei Raketen ein, die von Afrin aus abgefeuert worden seien. 13 Menschen seien verletzt worden, darunter acht in einer Moschee, die getroffen worden sei.
Die syrischen Kurden haben seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs drei autonome Bezirke geschaffen, darunter Afrin an der Grenze zur Türkei. Mit ihrer "Ölzweig"-Offensive in Afrin hat die Türkei eine neue Front im syrischen Bürgerkrieg eröffnet. Manbidsch gehört zu einem größeren Gebiet, das von den ebenfalls US-unterstützten Syrischen Demokratischen Streitkräften (SDF) kontrolliert wird. Dort wollen die USA für Stabilität und Wiederaufbau sorgen.
Erdogan sagte in Ankara, die Türkei werde "die Spielchen an ihrer Grenze durchkreuzen". Er forderte zudem internationale Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) auf, den Einsatz gegen die YPG zu unterstützen. "Ich habe Zweifel an der Menschlichkeit derer, die dieser Organisation helfen und die Türkei einen Angreifer nennen", sagte er.
Die Regierung in Ankara rechnet nach eigener Darstellung nicht damit, dass es während ihrer Offensive zu einer direkten Konfrontation mit dem US-Militär kommt. Dafür gebe es nur um Manbidsch eine geringe Chance, sagte Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag zu Reuters. Die Türkei sei zu jeder Form der Zusammenarbeit mit den USA und Russland bereit, wenn dies der Region Frieden bringe. Die USA und Russland haben Truppen in Syrien, die gegnerische Parteien unterstützen. Wie sie rief auch die Bundesregierung die Türkei zur Zurückhaltung auf.
REBELLEN IN MANBIDSCH: HABEN TRUPPEN AN FRONT VERLEGT
Ein Sprecher des Militärrats von Manbidsch sagte, seine von den USA unterstützte Gruppe habe Truppen an die Front verlegt, um auf einen potenziellen Angriff der Türkei oder ihrer Verbündeten reagieren zu können. "Natürlich setzen wir unsere Koordination mit der internationalen Koalition mit Blick auf den Schutz Manbidschs fort", fügte er hinzu. Die Allianz (DE:ALVG) führe bereits verstärkt Patrouillen durch. Das wies Koalitionssprecher Ryan Dillon zurück. Allerdings sei man durch "das was passiert, alarmiert".
Bei dem Einsatz in Afrin wurden nach türkischen Angaben mindestens 260 YPG- sowie IS-Kämpfer getötet. Der führende SDF-Vertreter Redur Xelil bezeichnete dies als Lüge, um die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Die ganze Welt wisse, dass der IS nicht in Afrin präsent sei. Die von der Türkei genannte Zahl der getöteten SDF- und YPG-Kämpfer sei maßlos übertrieben.
Im Nordwesten Syriens kämpfen Xelil zufolge auch Freiwillige aus Deutschland, Großbritannien und den USA gegen die türkische Armee. Es sei der Wunsch eines Teils der ausländischen Kämpfer in Rakka und Deir al-Sor gewesen, nach Afrin zu gehen. Er sprach von einer zweistelligen Zahl. Die von den USA ausgebildete YPG sowie die SDF sollten eine Pufferzone an der Grenze zur Türkei bilden. Erdogan betrachtet die YPG aber als Ableger der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, die für Autonomie der Kurden in der Türkei kämpft. Eine von der YPG kontrollierte Zone an der türkischen Südgrenze ist für ihn inakzeptabel.
Weil die Türkei Medienberichten zufolge deutsche Panzer in ihrer Offensive einsetzt, ist in der Bundesrepublik eine Debatte über Rüstungsexporte entbrannt. Die Bundesregierung verteidigte die Rüstungslieferungen an den Nato-Partner. Das Verteidigungsministerium erklärte, die Verwendung von Leopard-2-Panzern in der Türkei sei nur an die Bedingung geknüpft, dass diese nicht ohne Absprache an Drittländer abgegeben werden dürften. Die Grünen dagegen forderten die Einstellung von Rüstungslieferungen an die Türkei. Es dürfe auch keine Nachrüstung des Leopard 2 geben, deren Genehmigung Außenminister Sigmar Gabriel angedeutet hat.