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ots.CorporateNews: Westdeutsche Allgemeine Zeitung / WAZ: Die rote Linie ist überschritten ...

Veröffentlicht am 06.09.2012, 19:15
Aktualisiert 06.09.2012, 19:16
WAZ: Die rote Linie ist überschritten - Kommentar von Thomas Wels

Essen (ots) - Nun ist passiert, was zu erwarten war: Die

Europäische Zentralbank (EZB) unter ihrem Präsidenten Draghi

überschreitet die rote Linie, bricht mit dem Tabu, wonach sich die

Notenbank aus einer Staatenfinanzierung herauszuhalten hat. Sie

bricht auch mit dem Gesetz, das die EZB in erster Linie dem stabilen

Geldwert verpflichtet. Und zu guter Letzt setzt sie Steuerzahler ohne

demokratische Legitimation einem enormen Risiko aus. Schon heute hat

die EZB Anleihen in Höhe von 211 Milliarden Euro in den Büchern. Das

Risiko der Deutschen beträgt rund 70 Milliarden im Falle von

Zahlungsausfällen der Schuldner. Das alles zeigt, wie groß die Not

und Einfallslosigkeit der Euro-Retter ist. Und es zeigt, wie hart die

Bandagen im Kampf um Milliarden inzwischen gebunden sind. Dass Draghi

öffentlich macht, dass Bundesbankpräsident Weidmann die einzige

Gegenstimme abgab, ist ein Affront gegen die deutsche Position. Der

Lastesel wird fürs Lastentragen auch noch verhöhnt. Nichts ist

alternativlos. Auch nicht in der Euro-Krise. Deshalb wiegen diese

Anleihekäufe, die dem Anwerfen der Notenpresse gleichkommen, so

schwer. Eine Notenbank, die sich an die Seite der Regierungen hoch

verschuldeter Staaten stellt, wendet sich womöglich gegen die Sparer

eben dieser Staaten. Eine steigende Teuerung entwertet die Kaufkraft

der Spargroschen, sie schmilzt aber auch den Schuldenberg der Staaten

ab. Inflation tut Schuldnern gut und Sparern weh. Genau deshalb ist

die Notenbank unabhängig: damit sie sich nicht mit der Politik gemein

macht, die grundsätzlich immer mehr Geld ausgeben will, statt zu

sparen. Mit dem Prinzip hat Draghi gebrochen. Ob die Verpflichtung

Not leidender Staaten, sich bei etwaigen Anleiheaufkäufen politischen

Auflagen zu unterwerfen, den Schritt weniger dramatisch macht, bleibt

abzuwarten. In jedem Fall ist die Tür nun auf, die Deutschen sind

überstimmt; was kein Wunder ist, weil sie nun einmal die größte Last

zu tragen und die Südländer den Vorteil haben. Es ist schwer, vom

gemeinsamen europäischen Haus zu schwärmen, wenn einer der

Architekten aus dem Fenster gehängt wird.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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