WIEN/ALPBACH/FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Weltwirtschaft hat laut der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zuletzt an Fahrt verloren. "Es herrscht derzeit eine erhebliche Unsicherheit und man weiß nicht, ob das ein Schlagloch oder ein Erdrutsch ist", sagte EZB-Rat und OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny am Freitag in Alpbach. Dabei beschäftige weniger China, sondern die Entwicklungen der Emerging Markets insgesamt. "Übertriebene Befürchtungen sind aber nicht angemessen", meinte er.
Zu den aktuellen Turbulenzen in China bezog sich Nowotny auf ein Gespräch mit dem Chef der Bank of China: Das Auf und Ab der Börsen zeige, dass China erst lernen müsse, mit Märkten umzugehen, so Nowotny. Wobei der Börseneinbruch nicht fundamental zu sehen sei, sondern als Folge einer übermäßigen Deregulierung. Die massiven Käufe auf Pump erinnern an die Subprime-Krise in den USA. Die Kreditvergabe in China sei nun aber wieder eingeschränkt worden.
Positive Worte fand der Notenbanker für Griechenland, das "durchaus positive Erfolge" erzielt habe. Er sieht aber ein gewisses Zeitproblem angesichts der dortigen Regierungsumbildung. Für Oktober sei die erste Überprüfung festgelegt, dann kann erst wieder Geld fließen. "Es wird sich zeigen, ob wir eine handlungsfähige Regierung haben, mit der die Überprüfung (Review) gemacht werden kann", sagte Nowotny.
Der EZB-Rat erwartet weiterhin eine Mini-Inflationsrate in der Eurzone, die ein, zwei Monate lang auch negativ ausfallen könnte. Wichtig sei der Unterschied zwischen Kerninflation (ohne Energiekosten) und der Gesamtinflation. "Man muss es ganz nüchtern sagen, den Ölpreis kann eine Notenbank nicht bestimmen", so Nowotny. Der Absturz des Ölpreises hat die Inflationsrate in der Eurozone immer weiter hinuntergedrückt, die Europäische Zentralbank rechnet nun für das laufende Jahr mit einer Teuerungsrate von 0,1 Prozent. Für 2016 wird eine Kerninflation von 1,1 Prozent und eine Gesamtinflation von 1,3 Prozent erwartet. Man könne also das Thema Inflation "in gewisser Ruhe" betrachten, so Nowotny.
Er verwies auf die Fortführung "der EZB-Politik der ruhigen Hand", die nicht auf jede kleine Änderung reagieren würde. "Das Ankaufprogramm wird planmäßig weitergeführt."
Im Rahmen von "QE" (Quantitative Easing - Quantitative Lockerung) kauft die EZB monatlich Wertpapiere, Pfandbriefe und Hypothekenpapiere im Volumen von rund 60 Milliarden Euro. Ziel ist es, eine Wirtschaftsrezession und Deflation zu verhindern.
Auf Nachfrage zum EZB-Anleihenkaufprogramm verwies Nowotny auf die gestrigen Aussagen des EZB-Chefs Mario Draghi. Es gebe eine Reihe von theoretischen Möglichkeiten, durch Zeitraum und Volumen zusätzliche Impulse zu geben. Nowotny sieht dazu derzeit aber keine Notwendigkeit. Die Geldpolitik habe in ihrer Wirksamkeit auch Grenzen. Es gehe in den Euro-Ländern nun vor allem darum, struktur- und fiskalpolitische Reformen zu schaffen. In dieser Konjunktursituation sei eine makroökonomische Flexibilität beim Stabilitätspakt notwendig, etwa in Spanien beim schrittweisen Abbau der Schulden, um die Fortschritte nicht zu konterkarieren.
Zur Frage einer Euro-Wirtschaftsregierung mahnte Nowotny zu einer vorsichtigen und schrittweisen Vorgangsweise und nicht, "einen großen Wurf" anzustreben. Es sei "gefährlich, Illusionen von leichter Veränderbarkeit zu wecken". Eine europäische Wirtschaftsregierung sei eine Perspektive, die Wahrscheinlichkeit aber politisch beschränkt. Er warnte davor, ein Szenario "Wirtschaftsregierung oder Zerfall der Eurozone" herbeizureden. Auch ohne Euro-Wirtschaftsregierung werde "die Eurozone stabil bleiben", betonte der EZB-Rat.