von Geoffrey Smith
Investing.com - Die Energiekrise in Europa und in der Welt verschärft sich weiter. Ausgerechnet Russland wirft der EU nun einen Rettungsring zu. Russland sei bereit, mehr Erdgas zu liefern, sagte Präsident Wladimir Putin an einem Tag, an dem die Spotpreise im Vereinigten Königreich und auf dem alten Kontinent erneut Allzeithochs erreichten.
"Ich würde gerne Ihre Vorschläge hören, was wir noch tun können, um die globalen Energiemärkte zu stabilisieren", so Putin gegenüber Ministern in einer sorgfältig inszenierten Übertragung seiner Eröffnungsrede zu Beginn einer per Videokonferenz übertragenen Kabinettssitzung. "Wir sind bereit, daran zu arbeiten, und wir möchten, dass diese Arbeit auf einer rein kommerziellen Basis beruht."
Russland ist das einzige Land, das die Gaslieferungen an die europäischen Märkte, wo der Gasmangel am größten ist, kurzfristig erheblich steigern kann. Die gerade fertiggestellte Nord Stream 2-Pipeline, die der Gasmonopolist Gazprom (MCX:GAZP) für diese zusätzlichen Gasmengen nutzen würde, muss jedoch noch von den deutschen Regulierungsbehörden zertifiziert werden, bevor sie Gas transportieren kann.
An anderer Stelle wiederholte Putin seine bereits früher geäußerte Kritik an den, wie er es nannte, "fehlerhaften" Veränderungen in der europäischen Politik, die die Märkte der EU und des Vereinigten Königreichs anfällig für Versorgungsengpässe gemacht hätten, vor allem durch deren Weigerung, neue langfristige Verträge mit Gazprom zu unterzeichnen, und deren Wunsch, mehr Gas zu Kassapreisen zu kaufen.
Die britischen Erdgas-Preise haben sich seit Juni mehr als vervierfacht und ein Niveau erreicht, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Auf diese Weise hat sich in einer Wirtschaft, die wie in vielen anderen Industrieländern auch, aufgrund von anderthalb Jahren fiskalischer und geldpolitischer Impulse immer noch heiß läuft, ein inflationärer Druck aufgebaut. Infolgedessen haben sich die Anleiherenditen erhöht, ebenso wie der Druck auf die Bank of England, die Zinssätze anzuheben, um die Inflation einzudämmen.
In Kontinentaleuropa war der Druck kaum weniger ausgeprägt, und auch die niederländischen Benchmark-Futures erreichten fast täglich neue Rekordhöhen. Dies hat große Gasverbraucher in der Industrie wie BASF (DE:BASFN), Yara (LON:0O7D), CF Industries (NYSE:CF) und Fertiberia in den letzten zwei Wochen zur Einstellung oder drastischen Reduzierung der Ammoniakproduktion veranlasst.
Die Preise schnellen zum Teil auch deshalb in die Höhe, weil die Gasspeicher für diese Jahreszeit weit unter ihrem historischen Durchschnitt liegen. Gas Infrastructure Europe schätzt, dass die Speicher im Vereinigten Königreich und in der EU nur zu knapp 76 % gefüllt sind, verglichen mit einem Durchschnittswert von fast 90 % in den vorangegangenen zehn Oktobermonaten. Da sich die Speicherentnahmen auf bis zu 70 Prozentpunkte belaufen können, würde ein strenger Winter mit ziemlicher Sicherheit zu anhaltenden Engpässen und Rationierungen führen, insbesondere für Industriekunden.