(Wiederholung des Hintergrundes vom Vortag)
* Experten sehen großes Wachstum für nachhaltige Geldanlagen
* Undurchsichtige Angebote machen die Auswahl schwer
* Branche braucht klare und nachvollziehbare Definitionen
* Noch sind Privatinvestoren die treibende Kraft
- von Kirsti Knolle -
Frankfurt, 01. Jun (Reuters) - Wie mehre ich mit reinem Gewissen mein Vermögen? Auf welchen Fonds kann ich setzen, damit die Bäume grün, die Kinder gesund und der Friede gewahrt bleiben? Spätestens seit der Atomkatastrophe von Fukushima stellen sich immer mehr Anleger diese Fragen. Wer aber sozial, ethisch und ökologisch korrekt investieren will, der hat es ganz schön schwer. Denn er muss sich durch ein Dickicht von Angeboten kämpfen. Und es ist nicht sicher, dass er wirklich findet, was er sucht. Obwohl viele Fondsgesellschaften inzwischen als "nachhaltig" angepriesene Produkte anbieten, fristen diese immer noch ein Nischendasein. Gerade einmal 13 Milliarden Euro lagen nach Angaben des Interessensverbands der Industrie - dem Forum Nachhaltige Geldanlagen - Ende 2009 in entsprechenden Fonds. Die gesamte Fondsbranche verwaltet hierzulande ein gut hundert Mal so großes Vermögen.
Dennoch - vor allem dank der Nachfrage privater Investoren ist das Volumen nachhaltiger Fonds allein im Jahr 2009 um 70 Prozent gestiegen. Dieser Trend wird sich nach Einschätzung von Experten fortsetzen. "Angesichts der immensen Aufmerksamkeit, mit der dieses Thema von Staaten weltweit bedacht wird, und der Anstrengungen großer globaler Konzerne ist das mittelfristig ein Markt mit enormem Potenzial", sagt Analyst Ankit Jain von S&P Equity Research.
WAS IST EIGENTLICH NACHHALTIG?
Ein wichtiger Grund für das Schattendasein der nachhaltigen Investmentfonds ist die Tatsache, dass es keine klaren und nachvollziehbaren Definitionen und Regeln gibt. Anbieter und Investoren haben oft unterschiedliche Vorstellungen davon, was nachhaltig eigentlich ist. Die Definition, die das Forum Nachhaltige Geldanlagen liefert, lässt viel Freiraum. Diese lautet: "Nachhaltige Geldanlagen ergänzen die klassischen Kriterien der Rentabilität, Liquidität und Sicherheit um ökologische, soziale und ethische Bewertungspunkte."
Grundsätzlich werden als Investitionsobjekte Unternehmen gesucht, die umweltbewusst wirtschaften, Gesetze einhalten und soziale Normen respektieren. Doch schon da fängt das Problem an. Denn Unternehmen selber präsentieren sich gern als nachhaltig. Wie viel tatsächlich dahinter steckt, ist eine andere Frage. "Es gibt Unternehmen, die das sehr ernst nehmen und andere reden nur. Das Bild in jeder Branche ist da sehr gemischt, und es ist schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen", sagt UBS-Experte Gianreto Gamboni.
MEHR LICHT INS DUNKEL
Ein großes Thema der Branche ist deshalb neben der Etablierung klarer Regeln und Vorgaben die Transparenz. Es bleibt nämlich auch oft im Dunkeln, wo als nachhaltig verkaufte Fonds eigentlich investiert sind. Da kommt es vor, dass ein Anleger auf einmal erstaunt feststellt, dass er die Aktien von Tepco<9501.T> im Portfolio hat - des Betreibers des Atomkraftwerks in Fukushima. Aber wie kann das passieren?
Es liegt an der Anlagestrategie: Es gibt zum einen den klassischen Ansatz, bei dem ganze Segmente - wie zum Beispiel Energiekonzerne, die Atomstrom anbieten - als nicht nachhaltig ausgeschlossen werden. Renditeüberlegungen führten mit den Jahren aber zu einem pragmatischeren Ansatz. "Es kam die Frage, warum soll ich bestimmte Branchen von Anfang an per se ausschließen. Wir brauchen Öl und werden es auch in Zukunft brauchen", sagt Portfoliomanager Rainer Baumann von der Schweizer Fondsgesellschaft SAM.
Daraus entwickelte sich der "best in class" Ansatz. Aus den
verschiedenen Sektoren werden die Unternehmen herausgepickt, die
im Vergleich am nachhaltigsten wirtschaften - und schon ist
Tepco im Portfolio. Auch die bekanntesten großen
Nachhaltigkeitsindizes - die Dow Jones Sustainability Indices -
werden nach diesem Ansatz zusammengestellt. Zu den besonders
empfohlenen Werten gehören hier unter anderem die
Luftfahrtgesellschaft Air France-KLM
INSTITUTIONELLE INVESTOREN SCHLAFEN NOCH
Privatanleger mit klaren Vorstellungen für ihre Investments haben in dieser Gemengelage bislang nur eine Chance: Sie müssen umfangreich recherchieren und im Zweifel nachfragen, nachfragen, nachfragen. Leichter wird es für sie wohl erst, wenn sich auch eine andere Zielgruppe regt: die der institutionellen Investoren. Noch hält sich das Interesse der Versicherer und Versorgungskassen an nachhaltigen Fonds in Grenzen. "Die großen internationalen Pensionskassen müssen Druck von den eigenen Aufsichtsräten und von den Pensionären selber bekommen", sagt Baumann. "Hier liegt das große Wachstumspotenzial." Die erzielbare Rendite müsse schon jetzt keinen Vergleich scheuen. "Wenn ein Investor sagt, ich möchte grundsätzlich nachhaltig investieren aber keine Abstriche bei der Rendite machen, dann ist das kein Problem."
(Reporter: Kirsti Knolle; redigiert von Sabine Wollrab)