* Börsenexperten - Nervosität hat US-Börsen fest im Griff
* Sorgen über Euro-Schuldenkrise und Angst vor US-Rezession
* Anleger erhoffen sich Signale von Zentralbank-Treffen
* Kaum noch Geschäftszahlen, aber viele Konjunkturindikatoren
New York, 20. Aug (Reuters) - An der Wall Street gilt für die kommende Woche nur eines als ausgemachte Sache: Die beispiellosen Achterbahnfahrten der jüngsten Zeit werden sich fortsetzen. Denn eine Klärung der dringendsten Fragen dürfte weiter auf sich warten lassen: Bekommt Europa seine Schuldenkrise in den Griff? Rutscht die US-Wirtschaft in eine neue Rezession? "Ein Ende der Volatilität ist noch lange nicht in Sicht", urteilt Mike Gibbs von Morgan Keegan, der die Hoffnung auf Kursgewinne jedoch noch nicht aufgegeben hat. "Nach einem Kursrutsch von 17 Prozent innerhalb von 13 Tagen könnten wir von diesem Niveau einen Anstieg erleben."
Vielen Anlegern brennt vor allem die Unsicherheit über die Schuldenkrise in der Euro-Zone unter den Nägeln. Dies hatte sich erst in der vergangenen Woche wider gezeigt: Die Investoren machten ihrer Enttäuschung über die Ergebnisse des deutsch-französischen Gipfels am Dienstag scharenweise Luft, indem sie auf den "Verkaufen"-Knopf drückten. "Wenn sich an der Situation in Europa etwas Größeres ändert, könnte dies viele Investoren zur Rückkehr bewegen", zeigt sich Gibbs überzeugt. Wegen der anhaltenden Streitereien über Euro-Bonds, Schuldenbremsen und eine Finanztransaktionssteuer scheint diese Hoffnung jedoch vielen als verfrüht.
"Wir haben es grundsätzlich derzeit eher mit einer Vertrauenskrise zu tun und weniger mit einer Wirtschafts- oder Finanzkrise", erläutert Natalie Trunow von Calvert Investment Management und beklagt die Unfähigkeit der Politiker, endlich wieder Vertrauen zu schaffen. Auch Gibbs sagt: "Wenn das Vertrauen nicht zurückkehrt, wird der S&P-Index weiter im Gleichschritt mit den europäischen Märkten marschieren."
Das Gewicht der europäischen Schuldenkrise dürfte wieder zunehmen, weil sich die US-Bilanzsaison ihrem Ende zuneigt und damit andere Impulse fehlen. Insgesamt fielen die Geschäftsberichte sogar besser aus als erwartet und boten so zumindest einen Anlass für etwas Optimismus. Die Aufmerksamkeit richtet sich jedoch nun auf die Konjunkturentwicklung verschoben - die Angst vor einer Rezession in den USA nahm zuletzt dramatisch zu. In der kommenden Woche werden die Anleger daher eine ganze Reihe von Konjunkturindikatoren genau unter die Lupe nehmen: Am Dienstag etwa Daten zu Hausverkäufen und am Mittwoch ein Barometer für die Industrieaufträge .
Angesichts dieser konjunkturellen Sorgen richten sich zum Ende der Woche alle Blicke auf ein Städtchen in den Rocky Mountains: In Jackson Hole trifft sich die Elite der Notenbanker. Die Wall Street wartet vor allem mit Spannung auf Äußerungen von Fed-Chef Ben Bernanke am Freitag. Dieser könnte angesichts der Vertrauenskrise etwa weitere Anleihekäufe ankündigen, um die Liquidität in der Wirtschaft weiter zu erhöhen. Anleger sind jedoch geteilter Meinung, ob das den Aktien wirklich auf die Sprünge helfen könnte. "Es gibt nichts, was Bernanke tun kann, um den Aktien zu helfen", urteilt etwa Matt McCormick von Bahl & Gaynor. Selbst die jüngste Ankündigung der Fed, die Zinsen noch mindestens für zwei Jahre nahe null zu halten, half den Aktien kaum auf die Sprünge.
So bleibt vielen Anlegern nur die Hoffnung, dass der jüngste Ausverkauf bald zahlreiche Schnäppchenjäger auf den Plan ruft. So weisen die Analysten von Birinyi Associates darauf hin, dass die Dividendenrendite im S&P-500 mittlerweile höher ist als die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen. Dies sei erst das zweite Mal seit den 50er Jahren, dass Aktien eine höhere Rendite abwerfen als Bonds, schreiben die Experten.
Allein im Laufe der vergangenen Woche büßte der Dow-Jones-Index der Standardwerte vier Prozent seines Wertes ein, der S&P-500 4,7 Prozent und die Nasdaq sogar 6,6 Prozent. Der Dow-Jones-Index ging am Freitag bei 10.817 Punkten aus dem Handel, der breiter gefasste S&P-500 bei 1123 Zählern und die Nasdaq bei 2341 Punkten. (bearbeitet von Sören Amelang; redigiert von Angelika Stricker)