FRANKFURT (dpa-AFX) - Die nächste Eskalationsstufe in der europäischen Schuldenkrise ist erreicht: Nachdem bis zuletzt vor allem die sogenannten 'Randländer' des Währungsraums wie Italien und Spanien unter Beschuss standen, sind unlängst auch Staaten aus 'Kerneuropa' in die Schusslinie geraten. Zwar hat sich die Lage am Mittwoch zunächst etwas beruhigt. Das spürbar erhöhte Misstrauen gegen wichtige Kernländer wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande löst bei Experten aber große Sorgen aus. Wichtige Fragen und Antworten hierzu:
Was ist genau passiert?
Um das zu verstehen, muss man sich die Entwicklung der Krise vor Augen halten: Ausgangspunkt war im Jahr 2010 der kleine, aber hochverschuldete Euro-Staat Griechenland. Nachdem dort die Haushaltslage aus dem Ruder gelaufen war, musste Athen durch staatliche Hilfen gerettet werden. Mit Irland und Portugal wurden dann zwei weitere Länder vom Sog Griechenlands erfasst, sie mussten unter den Euro-Rettungsschirm EFSF schlüpfen. In diesem Sommer war die Krise gar auf die dritt- und viertgrößte Euro-Wirtschaft Italien und Spanien übergeschwappt. Zwar können sich diese Länder noch am freien Markt refinanzieren, allerdings nur zu empfindlich höheren Zinsen. Neuer Höhepunkt der Krise: In dieser Woche sind auch Länder unter Beschuss geraten, die bislang als vergleichsweise solide galten, allen voran die zweitgrößte Euro-Wirtschaft Frankreich.
Woran wird die neue Qualität der Krise deutlich?
Im Grunde an ähnlichen Entwicklungen wie im Falle Griechenlands: Das höhere Misstrauen der Investoren schlägt sich in steigenden Risikoaufschlägen für Staatsanleihen wichtiger Kernländer nieder. In dieser Woche sind diese Aufschläge sprunghaft und auf breiter Basis gestiegen. Besonders nachdenklich stimmt Experten, dass die neue Zuspitzung in einem an sich günstigeren Umfeld von statten ging. Denn positive Nachrichten aus Italien und Griechenland hätten eigentlich zuversichtlich stimmen müssen. Dort werden neue Regierungen gebildet. Sie sollen wichtige Reformen auf den Weg bringen, um so den Abwärtsstrudel der Krise zu stoppen.
Wie ist die jüngste Zuspitzung dann zu erklären?
Experten tun sich mit konkreten Begründungen nicht leicht. Sie nennen aber wichtige Punkte, die das Zutrauen der Anleger belastet haben. Trotz neuer Regierungen in Rom und Athen bleibe die Unsicherheit an den Finanzmärkten hoch, heißt es bei der Berenberg Bank. Investoren bereitet vor allem Sorge, dass nach wie vor kein ausreichender Schutzwall gegen die Krise vorhanden ist. So hat sich zuletzt gezeigt, dass die Schlagkraft des Euro-Rettungsschirms EFSF möglicherweise nicht wie erhofft erhöht werden kann. Ein wichtiger Grund: Die Neigung großer Investoren insbesondere aus Asien, den EFSF mit frischem Kapital auszustatten, scheint zuletzt abgenommen zu haben. Darüber hinaus besteht immer noch keine Einigkeit darüber, wie die Schlagkraft des EFSF konkret erhöht werden soll.
Welche Rolle spielt die Europäische Zentralbank?
Laut Experten eine ganz entscheidende: Sollte sich die Schuldenkrise weiter auf Kerneuropa ausweiten, wäre selbst der Rettungsfonds EFSF machtlos. Denn dann würde die Last der Schuldenkrise mehr oder weniger allein auf Deutschland liegen. Als letzte Institution, die bei einer derartigen Eskalation noch helfen könnte, nennen Volkswirte die EZB. Bereits jetzt wird gefordert, dass die Notenbank nicht mehr nur zeitweise am Staatsanleihemarkt eingreift. Vielmehr sollen die Währungshüter systematisch intervenieren, um so die Refinanzierungskosten der Euro-Länder auf einem erträglichen Niveau zu stabilisieren. Mitunter sprechen sich Ökonomen sogar dafür aus, dass die Notenbank den Ländern konkrete Zinsniveaus garantieren soll.
Warum verweigert sich die EZB der Rolle einer 'Feuerwehr'?
Die Notenbank steht im Kreuzfeuer der Kritik, kauft sie doch jetzt schon bestehende Anleihen aus einigen Euro-Ländern wie Italien und Spanien an. Ein Kurs, der insbesondere in Deutschland gar nicht gerne gesehen wird. Auch die stabilitätsorientierte Deutsche Bundesbank steht diesen Käufen am sogenannten 'Sekundärmarkt', wo bestehende Anleihen gehandelt werden, äußerst skeptisch gegenüber. Sie sieht die Trennlinie zwischen Finanz- und Geldpolitik zusehends bedroht. Darüber hinaus verbieten die Statuten der EZB eine Staatsfinanzierung über die Notenpresse - also Anleihenkäufe am Primärmarkt, wo Staaten neue Anleihen begeben. Anderen Notenbanken, etwa in den USA und Großbritannien, sind die Hände hier nicht so stark gebunden wie der EZB./bgf/hbr/fn
--- Von Bernhard Funck, dpa-AFX ---
Was ist genau passiert?
Um das zu verstehen, muss man sich die Entwicklung der Krise vor Augen halten: Ausgangspunkt war im Jahr 2010 der kleine, aber hochverschuldete Euro-Staat Griechenland. Nachdem dort die Haushaltslage aus dem Ruder gelaufen war, musste Athen durch staatliche Hilfen gerettet werden. Mit Irland und Portugal wurden dann zwei weitere Länder vom Sog Griechenlands erfasst, sie mussten unter den Euro-Rettungsschirm EFSF schlüpfen. In diesem Sommer war die Krise gar auf die dritt- und viertgrößte Euro-Wirtschaft Italien und Spanien übergeschwappt. Zwar können sich diese Länder noch am freien Markt refinanzieren, allerdings nur zu empfindlich höheren Zinsen. Neuer Höhepunkt der Krise: In dieser Woche sind auch Länder unter Beschuss geraten, die bislang als vergleichsweise solide galten, allen voran die zweitgrößte Euro-Wirtschaft Frankreich.
Woran wird die neue Qualität der Krise deutlich?
Im Grunde an ähnlichen Entwicklungen wie im Falle Griechenlands: Das höhere Misstrauen der Investoren schlägt sich in steigenden Risikoaufschlägen für Staatsanleihen wichtiger Kernländer nieder. In dieser Woche sind diese Aufschläge sprunghaft und auf breiter Basis gestiegen. Besonders nachdenklich stimmt Experten, dass die neue Zuspitzung in einem an sich günstigeren Umfeld von statten ging. Denn positive Nachrichten aus Italien und Griechenland hätten eigentlich zuversichtlich stimmen müssen. Dort werden neue Regierungen gebildet. Sie sollen wichtige Reformen auf den Weg bringen, um so den Abwärtsstrudel der Krise zu stoppen.
Wie ist die jüngste Zuspitzung dann zu erklären?
Experten tun sich mit konkreten Begründungen nicht leicht. Sie nennen aber wichtige Punkte, die das Zutrauen der Anleger belastet haben. Trotz neuer Regierungen in Rom und Athen bleibe die Unsicherheit an den Finanzmärkten hoch, heißt es bei der Berenberg Bank. Investoren bereitet vor allem Sorge, dass nach wie vor kein ausreichender Schutzwall gegen die Krise vorhanden ist. So hat sich zuletzt gezeigt, dass die Schlagkraft des Euro-Rettungsschirms EFSF möglicherweise nicht wie erhofft erhöht werden kann. Ein wichtiger Grund: Die Neigung großer Investoren insbesondere aus Asien, den EFSF mit frischem Kapital auszustatten, scheint zuletzt abgenommen zu haben. Darüber hinaus besteht immer noch keine Einigkeit darüber, wie die Schlagkraft des EFSF konkret erhöht werden soll.
Welche Rolle spielt die Europäische Zentralbank?
Laut Experten eine ganz entscheidende: Sollte sich die Schuldenkrise weiter auf Kerneuropa ausweiten, wäre selbst der Rettungsfonds EFSF machtlos. Denn dann würde die Last der Schuldenkrise mehr oder weniger allein auf Deutschland liegen. Als letzte Institution, die bei einer derartigen Eskalation noch helfen könnte, nennen Volkswirte die EZB. Bereits jetzt wird gefordert, dass die Notenbank nicht mehr nur zeitweise am Staatsanleihemarkt eingreift. Vielmehr sollen die Währungshüter systematisch intervenieren, um so die Refinanzierungskosten der Euro-Länder auf einem erträglichen Niveau zu stabilisieren. Mitunter sprechen sich Ökonomen sogar dafür aus, dass die Notenbank den Ländern konkrete Zinsniveaus garantieren soll.
Warum verweigert sich die EZB der Rolle einer 'Feuerwehr'?
Die Notenbank steht im Kreuzfeuer der Kritik, kauft sie doch jetzt schon bestehende Anleihen aus einigen Euro-Ländern wie Italien und Spanien an. Ein Kurs, der insbesondere in Deutschland gar nicht gerne gesehen wird. Auch die stabilitätsorientierte Deutsche Bundesbank steht diesen Käufen am sogenannten 'Sekundärmarkt', wo bestehende Anleihen gehandelt werden, äußerst skeptisch gegenüber. Sie sieht die Trennlinie zwischen Finanz- und Geldpolitik zusehends bedroht. Darüber hinaus verbieten die Statuten der EZB eine Staatsfinanzierung über die Notenpresse - also Anleihenkäufe am Primärmarkt, wo Staaten neue Anleihen begeben. Anderen Notenbanken, etwa in den USA und Großbritannien, sind die Hände hier nicht so stark gebunden wie der EZB./bgf/hbr/fn
--- Von Bernhard Funck, dpa-AFX ---