Brüssel/Genf (Reuters) - Die Europäer sehen trotz neuer Drohungen des Irans Chancen für einen Erhalt des Atomabkommens und bemühen sich um Entspannung zwischen der Islamischen Republik und den USA.
Dafür sei noch Zeit, sagte der britische Außenamtschef Jeremy Hunt am Montag in Brüssel, wo die Außenminister der Europäischen Union über den verschärften Konflikt zwischen den USA und dem Iran berieten. Der Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, forderte die EU zur Geschlossenheit auf. Die Führung in Teheran zeigte sich zu Gesprächen mit den USA bereit, machte dafür jedoch die Einhaltung des Atomabkommens von 2015 und ein Ende der Wirtschaftssanktionen zur Bedingung.
Ein Sprecher des Teheraner Außenministeriums sagte in Genf, man erwarte operative Schritte von Europa zur Erfüllung der Übereinkunft. Zugleich drohte der Iran mit einer Rückkehr zum Stand der Uran-Produktion vor dem Atomabkommen. Die USA hatte das Abkommen, das auch andere Staaten unterzeichnet haben, vor einem Jahr aufgekündigt.
"Der Iran ist noch immer gut ein Jahr davon entfernt, eine Atombombe entwickeln zu können", sagte Außenminister Hunt. Es gebe die Möglichkeit, das Abkommen zu erhalten, doch sie schwinde. Hunt, der Nachfolger von Premierministerin Theresa May werden will, sagte, er sei einer Meinung mit der US-Regierung, dass es langfristig eine Lösung für den zunehmenden Einfluss des Irans in der Region geben müsse. Doch er stimme nicht mit Washingtons Vorgehen überein. Die Europäer müssten alles Mögliche tun, um dem Iran und seiner Wirtschaft zu helfen, sollte er sich an das Atomabkommen halten.
Wie Roth forderte auch der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian die Europäer zu Einigkeit im Bestreben auf, das Abkommen zu retten. Dass der Iran seine Verpflichtungen nach dem US-Ausstieg teilweise aussetze, sei "eine schlechte Antwort auf eine schlechte Entscheidung". Neben den drei EU-Staaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland haben auch Russland und China das Abkommen unterzeichnet und wollen an ihm festhalten.
Am Sonntag hatte sich der iranische Präsident Hassan Ruhani unter Vorbedingungen bereit zu Gesprächen mit der US-Führung gezeigt. "Wenn sie die Strafmaßnahmen beenden, den wirtschaftlichen Druck aufgeben und zum Abkommen zurückkehren, sind wir bereit, heute, sofort und an jedem Ort Gespräche mit Amerika zu führen."
IRAN: KÖNNEN ZUR SITUATION VON VOR 2015 ZURÜCKKEHREN
US-Präsident Donald Trump will den Iran zu Verhandlungen über ein strengeres Abkommen zwingen, das zudem das Raketenprogramm des Landes umfasst. Er hatte deswegen das noch unter seinem Vorgänger Barack Obama ausgehandelte Abkommen einseitig aufgekündigt. Durch das Abkommen wird die Menge an niedrig angereichertem Uran und der Grad der Anreicherung beschränkt. Beide Grenzen hat der Iran als Reaktion auf das US-Vorgehen kürzlich überschritten. Das Land will so die EU-Unterzeichner dazu bewegen, ihr Versprechen zu halten und die iranische Öl- und Bankenbranche vor US-Sanktionen zu schützen.
Sollten die Europäer ihre Zusagen nicht einhalten, werde der Iran weiter seine Verpflichtungen reduzieren, sagte der Sprecher der iranischen Atomenergiebehörde, Behrus Kamalwandi, der Nachrichtenagentur Irna zufolge. Er hatte aber bereits vor einigen Tagen erklärt, als nächster Schritt sei eine Uran-Anreicherung auf bis zu 20 Prozent denkbar. Waffentaugliches Uran muss bis auf 90 Prozent angereichert sein.