LUXEMBURG (dpa-AFX) - Der angeschlagene Immobilienkonzern Adler Group (ETR:ADJ) hat im ersten Halbjahr aufgrund von Wertberichtigungen rote Zahlen geschrieben. Unter dem Strich summierte sich der Verlust auf 604,4 Millionen Euro, wie das auf Wohnimmobilien spezialisierte Unternehmen am späten Montag mitteilte. Im Vorjahr hatte Adler in den ersten sechs Monaten noch einen Gewinn von knapp 356 Millionen Euro ausgewiesen. Die Aktie legte am Dienstag kurz nach Handelsbeginn leicht zu. Allerdings ist sie auch allein seit Jahresbeginn um fast drei Viertel gefallen.
So war Adler in das Visier der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geraten, nachdem die Immobiliengesellschaft im Oktober erstmals unter Druck des Leerverkäufers Fraser Perring geraten war. Sein Researchdienst Viceroy hatte schwere Vorwürfe gegen Adler erhoben, darin ging es unter anderem um die Bewertung von Immobilienprojekten. Adler hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Adler verbuchte nun Wertberichtigungen von gut 375 Millionen Euro. So habe Adler wegen der jüngsten Marktentwicklung die Einschätzung der Kreditrisiken von Forderungen aus dem Verkauf von Immobilien geändert, hieß es. Zudem schrieb der Konzern den verbliebenen Firmenwert auf die Tochter Consus Real Estate in Höhe von 91,4 Millionen Euro vollständig ab. Vor allem aufgrund der Wertminderungen stieg der Nettoverschuldungsgrad (LTV) Ende Juni auf 58 Prozent und lag damit nur knapp unter dem in den Anleihebedingungen geforderten Niveau von 60 Prozent, wie das Unternehmen weiter mitteilte. Ende 2021 hatte der Verschuldungsgrad 50,9 Prozent betragen.
Wie Adler Group weiter mitteilte, bestehe nach dem jüngsten Verkauf von Projektentwicklungen in Frankfurt das Risiko, dass weitere Projekte aufgrund eines herausfordernden Marktumfeldes unter ihrem Buchwert veräußert werden könnten. Nach Einschätzung des Managements gibt es aber keine unmittelbare Gefahr für den Fortbestand der Adler Group. Allerdings basiere die Liquiditätsposition für das Jahr 2023 auf dem erfolgreichen Abschluss von Vorabverkäufen.
Deutschlands jahrzehntelanger Immobilienboom steht vor einer möglichen Kehrtwende, da die Zinssätze steigen. Hinzu kommt, dass Verbraucher Probleme bekommen könnten, ihre Energierechnungen zu bezahlen, die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sprunghaft angestiegen sind.
Das Jahrzehnt der Tiefstzinsen ist praktisch vorbei und die nun steigenden Kreditzinsen bringen die Expansionswellen der letzten Jahre in der Immobilienbranche zum Ende. Bei Analysten rückt nun der Verschuldungsgrad wieder verstärkt in den Fokus.
Deutschlands größter Vermieter Vonovia (ETR:VNAn) plant aktuell den Verkauf von rund 66 000 Immobilien im Gesamtwert von 13 Milliarden Euro. Und LEG Immobilien (ETR:LEGn) teilte erste jüngst mit, den verbleibenden Teil der niederländischen Adler-Tochter Brack Capital Properties (BCP) nicht kaufen zu wollen. Der Düsseldorfer Immobilienkonzern hatte Ende 2021 in einem ersten Schritt einen Anteil von 31 Prozent an der niederländischen Wohnungsbaugesellschaft übernommen.
Im ersten Halbjahr sanken die Mieterträge von Adler aufgrund des Verkaufs von Wohnungen vor allem an die LEG um fast ein Viertel auf 195,4 Millionen Euro, das operative Ergebnis aus Vermietung (FFO 1) ging um gut ein Viertel auf 49,9 Millionen Euro zurück. Die Durchschnittsmiete des Wohnungsportfolios stieg im Berichtszeitraum den Angaben zufolge auf monatlich 7,47 Euro je Quadratmeter, was einem flächenbereinigten Mietwachstum von 2,3 Prozent auf 12-Monats-Basis entspricht. Die Leerstandsquote konnte Adler Ende Juni mit 1,6 Prozent mehr als halbieren.
Für das laufende Jahr passte Adler wegen der Einbeziehung des Mehrheitsanteils an BCP in das zweite Halbjahr an. So erwartet das Unternehmen für 2022 Nettomieterträge im Bereich von 233 Millionen bis 242 Millionen Euro, nach zuvor avisierten 203 bis 212 Millionen Euro. Das operative Ergebnis aus Vermietung (FFO 1) soll im Bereich von 84 bis 88 Millionen Euro liegen. Hier war Adler zuvor von 73 bis 76 Millionen Euro ausgegangen.
Seinen Aktionären wird der Konzern keinen Dividendenvorschlag unterbreiten. Dies geschehe aus Gründen der Vorsicht, solange kein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss 2021 erteilt sei, teilte das Unternehmen weiter mit. Die Adler Group werde daher bis auf Weiteres auch keine zukunftsgerichtete Aussage zur Dividende treffen. Die Suche nach einem Prüfer für die Jahresabschlüsse 2022 gehe weiter. Das formale Ausschreibungsverfahren sei unmittelbar nach der Hauptversammlung im Juni eingeleitet worden, ohne dass Angebote eingegangen seien. Daher würden derzeit einzelne Wirtschaftsprüfungsgesellschaften direkt angesprochen.
Adler Group hatte Ende April trotz der Verweigerung des Testats durch die Wirtschaftsprüfer von KPMG Zahlen für 2021 vorgelegt - dabei war wegen hoher Abschreibungen ein Milliardenverlust angefallen. Für den Jahres- und Konzernabschluss 2022 steht KPMG nicht mehr als Wirtschaftsprüfer zur Verfügung. Wegen des fehlenden Prüf-Testats hatten fast alle Mitglieder des Verwaltungsrats ihren Rücktritt erklärt. Verwaltungsratschef Stefan Kirsten hatte jedoch nur vier davon angenommen.
Derweil bestellte der Verwaltungsrat Thomas Echelmeyer mit Wirkung zum 1. September zum Finanzvorstand des Unternehmens. Der Manager hat diese Funktion bereits seit 1. Juni interimistisch inne.