BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Nato hat ihre praktische Kooperation mit Russland komplett ausgesetzt und prüft eine deutliche Verstärkung der militärischen Präsenz in den östlichen Mitgliedstaaten. Den politischen Dialog mit Moskau im Nato-Russland-Rat will das Bündnis aber fortsetzen. Darauf einigten sich 28 Nato-Außenminister am Dienstag in Brüssel. Die baltischen Staaten, Polen und Rumänien hatten die Nato um stärkeren Schutz wegen der Krim-Krise gebeten.
In einer gemeinsamen Erklärung versprachen die Außenminister, für eine "angemessene Verstärkung und einen sichtbaren Schutz" zu sorgen. Einzelheiten nannten sie nicht. Nach Angaben einer Sprecherin geht es um die Verstärkung "militärischer Mittel" in den östlichen Bündnisländern sowie die Überprüfung von Manöverplänen. Außerdem könnte die Bereitschaft der Schnellen Eingreiftruppe (Nato Response Force) erhöht und die militärische Planung aktualisiert werden. Darüber muss später vom Nato-Rat noch einmal entschieden werden.
Bisher hatte die Nato nur die Luftraumüberwachung über dem Baltikum verstärkt. Daran will sich auch Deutschland mit sechs Kampfjets vom Typ Eurofighter beteiligen. Für den vom russischen Präsidenten Wladimir Putin angekündigten Truppenabzug von der Grenze zur Ukraine hatte die Nato zunächst keine Belege. Das Nato-Hauptquartier geht von 35 000 bis 40 000 russischen Soldaten an der ukrainischen Grenze aus.
In den 1990er Jahren hatte das transatlantische Bündnis Russland versichert, keine Truppen in größerem Umfang in den östlichen Mitgliedsstaaten zu stationieren. Vor allem Polen setzte sich im Zuge der Krim-Krise für einen Paradigmenwechsel ein. "Natürlich können sich Vorsätze im Lichte neuer Entwicklungen ändern", sagte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski. Polen sei nun seit 15 Jahren Nato-Mitglied und das Einzige, was es an Präsenz des Bündnisses in seinem Land gebe, sei ein Konferenzzentrum.
"Wir wären dankbar für alles, was wir bekommen können", sagte Sikorski mit Blick auf Bodentruppen und schwere Waffen. Den Wunsch nach zwei schweren Brigaden, was insgesamt bis zu 10 000 Soldaten entsprechen würde, relativierte er aber später. Es gehe nicht darum, eine theoretische Diskussion über solche Zahlen zu führen.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sicherte den östlichen Mitgliedern erneut den militärischen Beistand der Nato zu. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, es gehe darum, "dass sich alle diese Staaten, die sich bedroht fühlen müssen, der Nato-Solidarität sicher sein können".
Die Kooperation mit Russland soll im militärischen und zivilen Bereich ausgesetzt werden. Der politische Dialog auf Botschafterebene und darüber wird vor allem zur Bewältigung der Krim-Krise fortgesetzt.
Wie es mit der Annäherung der Ukraine an die Nato weitergeht, ist noch unklar. Steinmeier betonte, er sehe keine Perspektive für einen Nato-Beitritt. Er könne sich zwar eine engere Kooperation mit Kiew in der Nato-Ukraine-Kommission vorstellen. "Einen Weg in die Mitgliedschaft in der Nato sehe ich nicht." In der Bundesregierung sei diese Haltung aber noch nicht förmlich abgestimmt.
Das ukrainische Parlament stimmte am Dienstag gemeinsamen Manövern mit Nato-Truppen auch in diesem Jahr zu. Für ein entsprechendes Gesetz votierten am Dienstag 235 der 291 anwesenden Abgeordneten. Damit könnten 2014 zusätzlich zu 2500 ukrainischen Soldaten ebenso viele ausländische Militärangehörige in der Ex-Sowjetrepublik eingesetzt werden. Bereits in den vergangenen Jahren hatten Soldaten aus Nato-Ländern in der Ukraine geübt. Zwischen Mai und November 2014 seien nun mehrere Manöver im Westen und Süden des Landes vorgesehen, hieß es. Teilnehmer sind unter anderem US-Truppen sowie Soldaten aus Polen, Moldau und Rumänien.
Rasmussen widersprach Berichten über einen Teilabzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine. "Bedauerlicherweise kann ich nicht bestätigen, dass Russland seine Truppen abzieht", sagte er. Ein ranghoher Nato-Offizier ergänzte: "Wir sehen täglich einige Bewegungen bei diesen Truppen, aber wir haben noch keinen Rückzug gesehen." Wenn es einen Abzug gäbe, "dann wüssten wir das mit großer Sicherheit". Nach russischen Angaben soll ein Bataillon abgezogen worden sein, also bis zu 1200 Soldaten.P/stw