Von Robert Zach
Investing.com - Das globale Überangebot an Öl auf dem Weltmarkt dürfte sich im Mai auf 13,6 Millionen Barrel pro Tag (bpd) halbieren. Das geht aus einer neuen Analyse von Rystad Energy hervor.
Die Analysten der Unternehmensberatung prognostizierten einen weiteren Rückgang auf 6,1 Millionen Barrel pro Tag im Juni. Rystad warnte jedoch davor, dass trotz der sich aufhellenden Lage am Ölmarkt die Lagerbestände weiter zunehmen werden. In ein "paar Wochen" könnten die Öllager volllaufen.
"Das mag zwar wie eine drastische Verbesserung gegenüber April klingen, aber der Ölmarkt ist keineswegs auf magische Weise geheilt", sagte Ölanalystin Louise Dickson.
"Die Lagerproblematik ist nach wie vor ein großes Thema und wird sich auf den Handel auswirken, weil die Käufer kein physisches Öl lagern können“, fügte sie hinzu.
Aktuellen Schätzungen zufolge sind die Lager am wichtigen Umschlagplatz in Cushing, Oklahoma, zu 85 Prozent gefüllt.
WTI Öl war im April aufgrund des Mangels an Lagerkapazitäten zum ersten Mal in der Geschichte unter null gefallen, weil die Lagerkosten drastisch in die Höhe geschossen waren, woraufhin Ölhändler ihre WTI-Kontrakte zu jedem Preis loswerden wollten.
Auch "auf Vorstandsebene der Ölgesellschaften bleibt das Thema präsent. Sie müssen sehr kostspielige, aber überlebenswichtige Entscheidungen zur Produktionsdrosselung treffen, um so dem Markt eine Atempause zu verschaffen", fügte Dickson hinzu.
Exxon Mobil (NYSE:XOM) und Chevron (NYSE:CVX) kündigten am Freitag an, dass sie im Zuge des Ölpreiskollaps die Ölförderung drastisch reduzieren wollen. Gemeinsam wollen die beiden größten US-Erdölproduzenten weltweit 800.000 Barrel pro Tag weniger Öl fördern.
Zudem kommt morgen die Texas Railroad Commission zusammen, um über Kürzungen der Ölförderung zu diskutieren. Auf Texas entfallen zwei Fünftel der Erdölproduktion der USA.
Laut Rystad droht dem WTI-Juni-Future erneut der "Zusammenbruch", sofern die Ölproduktion bis zum 19. Mai nicht ausreichend heruntergefahren werde, was auch andere Rohölmischungen negativ beeinflussen könnte.
Während aber bei WTI-Futures eine physische Lieferung vorgesehen sei, besteht bei Brent-Kontrakten eine Barausgleichsoption, so Rystad. Das mache Brent resistenter und schütze zugleich vor negativen Preisen.
Laut Rystad sei zu erwarten, dass die Talsohle der Ölpreise "vor uns und nicht hinter uns liegt“. Sie fügten jedoch hinzu, dass sie nach wie vor an eine Erholung des Ölpreises glauben, "die möglicherweise schon im Juni einsetzen könnte". Die Unternehmensberatung glaubt, dass die Ölpreise im Jahr 2022 "viel höher stehen werden als vor der (Covid-19-)Krise“.
"Begünstigt wird dies durch eine Erholung der Nachfrage bis ins Jahr 2022 über das Niveau von vor Covid-19, die anhaltenden OPEC+-Produktionskürzungen und den Verlust von Förderkapazitäten sowohl im US-Schiefer als auch in der langzyklischen globalen Produktion", erklärte Rystad.
Norwegen kündigte letzte Woche an, seine Produktion von Juni bis Dezember 2020 deutlich zurückzufahren. Man werde im Juni um 250.000 Barrel pro Tag weniger produzieren und in der zweiten Jahreshälfte 2020 um 134.000 Barrel pro Tag drosseln, sagte Ölministerin Tina Bru am Mittwoch.
Der US-Ölfeldausrüster Baker Hughes teilte am Freitag mit, dass die Zahl der aktiven Öl-Bohrlöcher in den USA in der Woche bis zum 1. Mai um 53 auf 325 gesunken sei. Das ist der tiefste Stand seit Anfang Juni 2016. Vor einem Jahr lag die Zahl noch bei 807. Allein in Texas ging die Bohraktivität von 231 auf 201 zurück.
Das an der ICE gehandelte Barrel der Sorte Brent-Öl zur Juli-Lieferung steigt um 1,17 Prozent auf 26,75 Dollar. Für das an der Warenterminbörse NYMEX in New York gehandelte Rohöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI-Öl) mit einer Laufzeit bis Juni geht es um 2,02 Prozent nach oben auf 20,16 Dollar.
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