FRANKFURT (dpa-AFX) - Die britische Unterhauswahl hat am Ende alle überrascht: Statt einer Hängepartie mit der Aussicht auf Neuwahlen gab es am Freitag einen Triumph der konservativen Tories unter Führung des aktuellen Premierministers David Cameron. Sie können nun eine Alleinregierung bilden. Verlierer seien die bisher mitregierenden Liberaldemoktraten, die oppositionelle Labour-Partei unter dem inzwischen zurückgetretenen Ed Milliband - und die Wahlforscher, sagt Stephen Jones, Investment-Manager beim britischen Vermögensverwalter Kames Capital, im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Denn die Meinungsforscher hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Cameron und Milliband prognostiziert.
Für den britischen Aktienmarkt seien dies zunächst gute Nachrichten, sagt Jones: "Unerwartet gibt es nun mehr Gewissheit darüber, wie es politisch in Großbritannien weitergeht." Cameron stehe für freie Märkte und weiterhin niedrige Steuern. Getrieben vom privaten Sektor sollte die Wirtschaft in diesem Jahr weiter wachsen, falls die neue Regierung unverändert an einer Verringerung des Staatsdefizits arbeitet. Die Anleger dürften diese Entwicklung begrüßen.
WETTEN AUF FALLENDE KURSE GINGEN NICHT AUF
Insofern bleibt Jones erst einmal positiv gestimmt. Der Hintergrund: Professionelle Anleger hätten vor der Wahl auf fallende Kurse bei den Aktien solcher Unternehmen gewettet, die bei einem unklaren Wahlausgang eventuell unter Druck geraten wären. Beispiele seien Hausbaufirmen, Busunternehmen, Versorger, Vermögensverwalter und staatlich kontrollierte Banken. Angesichts des starken Kurssprungs am britischen Aktienmarkt hätten sich die institutionellen Investoren nun aber wohl gezwungen gesehen, einen Teil ihrer Positionen aufzulösen und wieder zuzukaufen, so dass die Kurse dieser Aktien wieder stiegen.
Generell dürften Anleger Jones zufolge immer noch eher mittelgroße, auf den heimischen Markt ausgerichtete Firmen bevorzugen. Sie profitierten von dem möglicherweise weiter steigenden Pfund. Die Stärke der heimischen Währung könnte größeren und eher exportorientierten Unternehmen eher schaden.
ANTI-EUROPÄER KÖNNTEN BEIM REFERENDUM LAUTER WERDEN
Mittelfristig aber bleibt das nun anstehende Referendum zum Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union Jones zufolge ein Risiko. Denn zwar gelten nicht nur Labour und die schottischen Nationalisten, sondern auch die Tories als Europa-Befürworter. Schließlich hatte Cameron nach Meinung von Beobachtern das Referendum nur angestrengt, um Europaskeptiker für sich zu gewinnen.
Doch die Besonderheiten des britischen Wahlrechtes haben Jones zufolge dazu geführt, dass "das Hauptsprachrohr für die antieuropäische Stimmung der Briten - die rechtspopulistische Ukip-Partei - keinen deutlichen Niederschlag im Wahlergebnis gefunden hat". Die Partei brachte es landesweit zwar auf insgesamt fast 13 Prozent der Stimmen, wird wegen des Wahlkreissystems aber nur mit einem Abgeordneten in das Parlament in Westminster einziehen. Bei dem Referendum jedoch gilt ein anderes Wahlrecht als bei der Parlamentswahl, so dass die Stimme der Anti-Europäer dann deutlicher zu hören sein dürfte.