- von Holger Hansen
Berlin (Reuters) - Vor Beratungen der SPD über ihren Kurs in der Koalition und eine programmatische Neuaufstellung haben sich führende Parteilinke gegen eine Personaldebatte gewandt.
Der Chef des linken Flügels der Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, wies am Freitag zudem Forderungen der Jusos zurück, den Parteitag 2019 auf das Frühjahr vorzuziehen. Laut Koalitionsvertrag solle der Parteitag Ende 2019 entscheiden, ob in der Koalition mit der Union geliefert worden sei, sagte Miersch der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft". Fraktion, Parteivorstand "oder gegebenenfalls ein Parteikonvent sind stark genug, um das auch früher zu beurteilen". SPD-Vize Ralf Stegner sagte im ZDF, eine Personaldebatte helfe nicht weiter: "Wir haben damit keine guten Erfahrungen gemacht, ständig die Spitze auszutauschen."
Bei einer Klausur von Präsidium und Parteivorstand will die SPD am Sonntag und Montag einen Zeitraum für die Umsetzung von Kernvorhaben in der Bundesregierung festlegen. Dieser "Arbeitsplan" soll auch den Weg beschreiben, wie die SPD bis zur Jahresauftaktklausur Anfang Februar innerparteiliche Streitfragen etwa um Hartz IV, den Klimaschutz oder die Steuer- und Verteilungspolitik klärt. Die Parteispitze erhofft sich davon mehr Profilschärfe, um wachsende Forderungen aus der SPD nach einem Austritt aus Koalition abzuwehren. Andererseits will sie programmatisch für den Fall von Neuwahlen gewappnet sein.
Juso-Chef Kevin Kühnert hatte gefordert, den Parteitag auf das Frühjahr vorzuziehen, damit die Delegierten das letzte Wort über den Erneuerungsprozess hätten. In der Parteispitze wird aber befürchtet, dass der Parteitag nur über einen Ausstieg oder Verbleib in der großen Koalition streiten würde.
SPD STELLT ERNEUERUNG VOR ARBEIT IN BUNDESREGIERUNG
Parteichefin Andrea Nahles will offenkundig sichtbar unterstreichen, dass die zu Beginn der Koalition versprochene Erneuerung der Partei schneller vorangetrieben wird. In einem Reuters vorliegenden Entwurf ihres gemeinsam mit Generalsekretär Lars Klingbeil verfassten "Diskussionspapiers" wurde das Kapitel "Die Erneuerung der SPD beschleunigen" nun vorgezogen vor das Kapitel "Anforderungen an die Arbeit der Bundesregierung". In einem ersten Entwurf vom Montag war es noch umgekehrt.
Unter "Erneuerung" werden in dem Papier vier Themenfelder beschrieben, in denen sich die SPD klar positionieren müsse: Sozialpolitik, Europa, Klimaschutz sowie Investitionen. Das berührt auch den steten SPD-Streit über höhere Steuern. Für eine mehr Investitionen müsse auch an der "Einnahmenbasis des Staates" angesetzt werden: "Sehr hohe Einkommen und Erbschaften müssen über das bisherige Maß hinaus an der Finanzierung dieser Aufgabe beteiligt werden. Auch die Digitalkonzerne müssen gerecht zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beitragen."
FORSA-CHEF: SPD WÜRDE VON MERZ ODER SPAHN NICHT PROFITIEREN
Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, geht nicht davon aus, dass die SPD von einem mutmaßlich konservativeren CDU-Chef wie etwa Friedrich Merz oder Jens Spahn profitieren könnte. "Das ist nicht zu erwarten", sagte Güllner der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "In Bayern und Hessen sind CSU und CDU klar rechts positioniert. Bei den Landtagswahlen ist die SPD dort abgestürzt. Profitiert haben die Grünen." Selbst ein Kanzlerkandidat Merz oder Spahn nutze der SPD nicht: "Die Wähler in der liberalen Mitte würden zu den Grünen überlaufen." 2018-11-02T142002Z_1_LYNXNPEEA1110_RTROPTP_1_GERMANY-POLITICS-SPD.JPG