- von Frank Siebelt
Frankfurt (Reuters) - Bundesbank-Chef Jens Weidmann könnte bei der Suche nach einem Nachfolger für EZB-Präsident Mario Draghi leer ausgehen.
Auf den ersten Blick wäre dies für die deutsche Notenbank zwar ein Rückschlag. Erneut würde Deutschland bei der prestigeträchtigen Position des obersten europäischen Währungshüters den Kürzeren ziehen. Experten verweisen aber auch auf Vorteile: Weidmann wäre für eine zweite Amtszeit gesetzt und würde der Bundesbank auf Jahre Stabilität bringen. Bei einem Wechsel zur EZB stünde der Bundesbank dagegen eine schwierige Nachfolgeregelung ins Haus - profilierte Kandidaten für eine sofortige Weidmann-Nachfolge sind derzeit kaum auszumachen. Daher wäre man in der Bundesbank-Zentrale gar nicht so unglücklich, sollte Weidmann der nächste Karriereschritt verwehrt werden, sagten mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters zuletzt.
Ökonomen sehen dies ähnlich. Ein Abgang des 50-Jährigen würde bei der Bundesbank selbstverständlich eine große Lücke hinterlassen, so BayernLB-Volkswirt Stefan Kipar. Weidmann habe in den vergangenen Jahren die Position der Bundesbank im EZB-Rat wortgewandt und meinungsstark vertreten. "Ein Nachfolger müsste in große Fußstapfen treten."
Bislang galt es als sehr wahrscheinlich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel Weidmann für die Draghi-Nachfolge ins Spiel bringen will. Der Italiener scheidet Ende Oktober 2019 bei der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Amt. Doch seit vergangener Woche gilt dies nicht mehr als sicher. Laut "Handelsblatt" strebt Merkel für Deutschland nicht mehr den EZB-Chefposten an, sondern den der EU-Kommission.
Anders als bei der EZB kann das Amt des Bundesbank-Präsidenten verlängert werden. Weidmann leitet die Institution seit 2011 - seine achtjährige Amtszeit endet am 30. April 2019. Im vergangenen Jahr hatte der promovierte Volkswirt durch einen Sprecher erklären lassen, er habe große Freude an seinem Job und stehe für eine zweite Amtszeit selbstverständlich zur Verfügung.
BEGRENZTE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN BEI DER EZB
Viele Experten verweisen darauf, dass die nächsten Jahre in der Geldpolitik weitgehend vorgezeichnet sind - sollten keine neuen Krisen die Wirtschaft der Euro-Zone aus der Bahn werfen. In normaleren Zeiten mache es aber keinen großen Unterschied, ob an der Spitze der EZB ein Verfechter einer strafferen oder einer lockeren Geldpolitik stehe. "Es ist kaum damit zu rechnen, dass die EZB unter einem Präsidenten Weidmann das Normalisierungstempo deutlich anziehen würde. Da geht es eher um Nuancen", so BayernLB-Volkswirt Kipar. Die EZB ist gerade dabei, ihre billionenschweren Anleihenkäufe zu beenden und dürfte nächstes Jahr die Zinswende einleiten. Seit rund zehn Jahren war sie jetzt wegen der Finanz- und später der Staatsschuldenkrise im Notfallmodus.
Die Bundesbank steckt zudem mitten im personellen Umbau - auch ohne einen Abgang von Weidmann. Denn die langjährigen Vorstandsmitglieder Carl-Ludwig Thiele, der für Zahlungsverkehr und Bargeld zuständig war, und Andreas Dombret, der die Bankenaufsicht betreute, schieden Ende April aus dem Amt. Als Nachfolger von Dombret wird der Europa-Politiker Burkhard Balz von der CDU zum 1. September in den Vorstand einziehen. Die Nachfolge für die Thiele-Stelle, für die die Bundesregierung das Vorschlagsrecht hatte, ist erst im vergangenen Monat nach langer Suche gelöst worden. Für diese Position soll die KfW-Bankerin Sabine Mauderer in das Führungsgremium einziehen. Wie die Ressorts künftig verteilt werden, ist noch unklar.
Manche Ökonomen sehen in dem Stühlerücken allerdings kein größeres Problem für die Bundesbank: "Zwar sind im Vorstand viele neue Mitglieder, aber Vize-Präsidentin Frau Buch ist mit ihren Themen der Finanzstabilität und Statistik schon recht nahe an der Geldpolitik", meint NordLB-Volkswirt Jens Kramer. Auch könne die Bundesbank immer extern rekrutieren. "Es gilt jedenfalls, dass Weidmann an der Bundesbank-Spitze nicht völlig unersetzlich ist, auch wenn er in den vergangenen Jahren die Positionen der Bundesbank sehr gradlinig und eloquent nach außen hin vertreten hat."