Berlin (Reuters) - Nach einem schwachen Jahresauftakt mit schrumpfender Produktion, stagnierenden Exporten und sinkenden Industrieaufträgen nehmen immer mehr Experten ihre Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft zurück.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erwartet für dieses Jahr noch ein Plus von 1,2 (bisher 1,5) Prozent, während das Essener Forschungsinstitut RWI sogar nur mit 0,9 (bisher 1,4) Prozent rechnet. 2018 hatte es zu 1,4 Prozent gereicht. "Die Konjunktur verliert weiter an Schwung", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang am Montag und warnte: "Verwerfungen im Außenhandel mit dem Vereinigten Königreich oder den Vereinigten Staaten könnten uns gefährlich nahe an die Nulllinie bringen."
Die jüngsten Konjunkturdaten signalisieren eine erneute Abschwächung. Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Januar wegen der noch immer schwächelnden Autoproduktion zusammen 0,8 Prozent weniger her als im Dezember, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Ökonomen hatten einen Anstieg um 0,5 Prozent erwartet. Eine deutliche Trendwende zum Besseren zeichnet sich bislang nicht ab, da die Auslandsaufträge der Industrie zuletzt um 3,6 Prozent gesunken waren.
Der exportabhängigen Industrie machen zunehmende Handelskonflikte und die maue Weltkonjunktur zu schaffen. Dadurch stagnierten die Exporte zu Jahresbeginn auf dem Niveau des Vormonats. "Natürlich lassen sich die Abwärtsrisiken nicht leugnen", sagte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann. "Der Brexit steht kurz bevor, und das nach wie vor ohne verlässlichen Fahrplan. Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas, symbiotisch mit dem Erfolg der deutschen Außenwirtschaft, kühlt ab." Die Bundesregierung geht noch von einem Wachstum von 1,0 Prozent aus, könnte aber im Frühjahr ebenfalls nach unten gehen.
"KEINE REZESSION"
Allerdings warnen einige Experten zugleich vor übertriebenem Pessimismus. "Die deutsche Wirtschaft entwickelt sich derzeit zwar nicht allzu dynamisch, es deutet jedoch nichts auf eine Rezession hin", sagte der Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Roland Döhrn. Anders als die Exporte wuchsen die Importe im Januar, und zwar um 1,5 Prozent und damit mehr als doppelt so kräftig wie im Vormonat. Das signalisiert eine kräftige Binnennachfrage. Zuvor war bereits der Einzelhandelsumsatz so stark gewachsen wie seit über zwei Jahren nicht mehr, was auf nach wie vor kauffreudige Verbraucher hindeutet. Deren Konsumausgaben tragen mehr als die Hälfte zur Wirtschaftsleistung bei.
Auch im Handwerk läuft es gut. "Von den ersten dunkleren Wolken am allgemeinen Konjunkturhimmel zeigt sich das Handwerk nach wie vor wenig beeindruckt", sagte der Generalsekretär des Branchenverbandes ZDH, Holger Schwannecke. "Die Geschäfte laufen sehr gut." Die handwerklichen Umsätze dürften 2019 erneut deutlich um bis zu vier Prozent zulegen.
Das Wirtschaftsministerium macht die Fahrzeugindustrie für die Produktionsdelle am Jahresbeginn verantwortlich. Deren Fertigung brach um 9,2 Prozent ein. Dazu hätten "auch Produktionsstillstände aufgrund von Modellwechseln sowie Streiks bei Zulieferern und damit erneut Sondereffekte" beigetragen. "Angesichts der gesunkenen Produktion im Januar und der schwachen Frühindikatoren ist weiterhin von einer gedämpften Industriekonjunktur auszugehen." Darauf deutet auch der Absatz der Pkw-Sparte Mercedes-Benz hin, der im Februar um 6,7 Prozent auf knapp 153.000 Fahrzeuge sank. Den stärksten Einbruch erlitt die Marke mit dem Stern in Nordamerika mit minus 14 Prozent.