NIKOSIA/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der neue griechische Regierungschef Alexis Tsipras wirbt bei den Europartnern für den radikalen Kurswechsel Athens. Einen Euroaustritt will er nicht, aber auch nicht mehr die Troika-Sparkontrolleure, wie er bei seiner ersten Station am Montag auf Zypern bekräftigte. Es folgen in den nächsten Tagen Rom, Paris und Brüssel. Berlin ist derzeit nicht eingeplant. Besonders wichtig ist der Antrittsbesuch Tsipras bei EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Mittwoch.
Berlin hält dagegen: Es gebe "keinen Anlass, von diesem bewährten Mechanismus abzuweichen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz in Berlin. Es seien auch keine Anhaltspunkte bekannt, die EU-Kommission könne davon Abstand nehmen. Die neue griechische Regierung hat letzte Woche demonstrativ die Zusammenarbeit mit der Geldgeber-Troika von EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) aufgekündigt.
FINANZMINISTERIUM: TROIKA-KONTROLLEN IN ESM-VERTRAG VERANKERT
Die EU-Kommission legt sich indes nicht auf Details möglicher neuer Griechenland-Abmachungen fest. Ein Kommissionssprecher verwies auf frühere politische Leitlinien Junckers aus dem vorigen Sommer. Er reagierte damit auf Medienberichte, wonach Juncker rasch die von der neuen Athener Regierung abgelehnte Geldgeber-Troika abschaffen wolle. In seinen - vor Amtsantritt in Brüssel - verfassten Leitlinien hatte Juncker gefordert, dass die Troika "in Zukunft" durch ein demokratisch legitimiertes Gremium ersetzt werden solle. Auf Details ging der Sprecher nicht ein.
Das Bundesfinanzministerium betonte, Kontrollen wie von der Troika seien etwa im Vertrag zum Schutzschirm ESM verankert. Dies sei nicht einseitig zu ändern, erläuterte eine Sprecherin des Ministeriums. Berlin pocht wie Brüssel auf die Einhaltung bisheriger Vereinbarungen. Als Basis für die Gespräche in Brüssel sieht die EU-Kommission nach Angaben ihres Sprechers die Erklärung von Tsipras, wonach eine neue Abmachung die bisherigen Schuldenverpflichtungen des Krisenlandes gegenüber der EZB und dem IWF nicht infragestellen werde.
BRÜSSEL: VERTRAGSÄNDERUNGEN NUR MIT ZUSTIMMUNG ALLER 19 LÄNDER
Die EU-Kommission sei nicht in der Lage, neue Finanzvereinbarungen mit dem hochverschuldeten Griechenland alleine auf den Weg zu bringen, sagte der Sprecher der Brüsseler Behörde. "Die bestehende Abmachung ist ein Vertrag, der Griechenland und seine Europartner umfasst", sagte er mit Blick auf das Hilfsprogramm. Jegliche Änderungen müssten von den 19 Euroländern gebilligt werden.
Auch der EU-Partner Großbritannien erwartet, dass alle Länder ihre internationalen Verpflichtungen erfüllten, wie ein Sprecher von Premierminister David Cameron anlässlich eines Besuchs des neuen griechischen Finanzministers Giannis Varoufakis in London sagte. Der britische Finanzminister George Osborne erklärte: "Ich bitte den griechischen Finanzminister dingend, verantwortungsvoll zu handeln, aber es ist auch wichtig, dass die Eurozone einen besseren Plan für Arbeit und Wachstum hat."
OBAMA ZEIGT VERSTÄNDNIS FÜR SITUATION GRIECHENLANDS
Verständnis für die griechische Regierung kam dagegen von US-Präsident Barack Obama. "Man kann Länder, die mitten in einer Depression sind, nicht immer weiter ausquetschen. An einem bestimmten Punkt muss es eine Wachstumsstrategie geben, damit sie ihre Schulden zurückzahlen und einen Teil ihres Defizits ausgleichen können", sagte er in einem CNN-Interview.
Tsipras sieht die Stabilität des Südosten Europas in Gefahr, wenn Griechenland oder Zypern sich vom Euro verabschieden würden. In den vergangenen Monaten war immer wieder spekuliert worden, dass für Athen nur ein Ausstieg aus der Währungsunion ("Grexit") infrage komme.
Griechenlands "einziges und ausschließliches Ziel" sei, die Verhandlungen mit seinen Partnern in der EU erfolgreich abzuschließen, versicherte Tsipras nach seinem Treffen mit Zyperns Präsident Nikos Anastasiades.
TSIPRAS WILL KEINE HILFE AUS RUSSLAND
Auf Hilfe aus Russland setzt Tsipras nach eigenen Worten derzeit nicht. Auf die Frage, ob Griechenland einen Kredit aus Russland erwarte oder einen beantragen würde, sagte Tsipras: "Es gibt im Moment keinen solchen Gedanken."
Was die Krise in der Ukraine betrifft, seien sowohl Zypern als auch Griechenland bereit, für den Frieden zu vermitteln, erklärte Tsipras. Athen und Nikosia wollten ihre guten Beziehungen zu Moskau nutzen, "damit eine notwendige Brücke zwischen Europa und Russland geschlagen wird", fügte Tsipras hinzu.