BERLIN (dpa-AFX) - Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, hat sich für eine tiefgreifende Reform der deutschen Finanzverfassung ausgesprochen. Für besonders dringlich hält der Staatsrechtler eine radikale Umstellung des Länderfinanzausgleichs. "Ich plädiere für ein einfaches Modell, das den Finanzausgleich auf seine Wurzeln zurückführt", sagte Kirchhof der "Welt am Sonntag".
Es genüge, wenn der Bund jedem der 16 Länder ein Existenzminimum an finanzieller Ausstattung garantiere, "das sich nach seiner Einwohnerzahl oder Fläche richtet und das es unbedingt braucht, um seine Aufgaben erfüllen zu können - mehr nicht." Die horizontalen Ausgleichszahlungen würden in diesem Konzept ersatzlos gestrichen.
Kirchhof sprach sich zudem für eine neue Aufteilung der Steuerquellen zwischen Bund, Ländern und Kommunen aus. "Aufgaben und Steuerquellen sind ungleich verteilt. Kurz gesagt sollten die staatlichen Einnahmen dorthin fließen, wo auch die Aufgaben erledigt werden müssen", sagte der Staatsrechtler. Insbesondere die Kommunen müssten ständig neue Aufgaben übernehmen, verfügten aber kaum über eigene Steuerquellen, so dass sich mit jeder neuen Aufgabe die Frage nach der Finanzierung stelle.
Diese Forderung wertet der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion Hans-Ulrich Rülke als Aufforderung des Gerichts an die baden-württembergische Landesregierung, der Klage Hessens und Bayerns gegen den Finanzausgleich endlich beizutreten. "Wenn der Vizepräsident des Gerichts öffentlich Veränderungen fordert, dann zeigt das doch, dass das Gericht den status quo in Frage stellt", sagte Rülke. Somit entfalle die einzige und letzte Ausrede der grün-roten Landesregierung, die stets erklärt habe, man nehme nicht an, dass das Gericht in einem Urteil etwas ändere und wolle deshalb nicht klagen. "Ich fordere Herrn Kretschmann auf, sich jetzt umgehend der Klage anzuschließen."/wn/DP/nmu