27. Sep (Reuters) - Der europäische Rettungsfonds EFSF verfügt über 440 Milliarden Euro - das ist ungefähr so viel wie die drei Krisenstaaten Griechenland, Irland und Portugal zusammen in einem Jahr erwirtschaften. Es war ein langer, beschwerlicher Weg, bis sich die Länder der Eurozone auf diese Summe als Kredit-Rahmen für schuldengeplagte Mitgliedsstaaten einigen konnten. Und noch ist nicht sicher, ob diese Summe überhaupt von allen Mitgliedstaaten genehmigt wird. Denn immer mehr Volksvertreter lehnen es ab, noch mehr Steuergelder zur Rettung anderer Länder einzusetzen.
Das Dilemma ist nun, dass die benötigten Hilfen ganz schnell eine völlig andere Größenordnung erreichen könnten: Nach Einschätzung von Finanzexperten reichen die 440 Milliarden Euro bei weitem nicht, um die Schuldenkrise nachhaltig zu lösen. Italien oder Spanien könnten mit den verbleibenden Mitteln nicht gestützt werden. Eine nochmalige Aufstockung des EFSF scheint aber politisch nicht durchsetzbar. Also wird nach anderen Wegen gesucht, um an mehr Geld zu kommen. Ein Finanzinstrument, das in diesem Zusammenhang nun hervorgezaubert wurde, ist das so genannte Leveraging. Was damit auf gut deutsch ins Spiel gebracht wird, ist eine deutliche Anhebung der Schulden.
Das derzeit an den Märkten diskutierte Szenario sieht folgendermaßen aus: Die Europäische Investitionsbank (EIB) - das ist die Bank der EU; ihre Kapitaleigner sind die Mitgliedsstaaten - würde eine Zweckgesellschaft gründen, die sich über den Rettungsfonds EFSF finanziert. Die Zweckgesellschaft soll dann in der Lage sein, Anleihen schuldengeplagter Staaten aufzukaufen und eigene Anleihen zu begeben - sprich Fremdkapital aufzunehmen. Damit könnten auch außereuropäische Investoren angesprochen werden.
Um überhaupt Investoren zu interessieren, muss die Europäische Zentralbank (EZB) aber mit ins Boot geholt werden. Denn es ist wichtig, dass die EZB diese Anleihen als Sicherheit akzeptiert.
Analyst Torge Middendorf von der WestLB macht folgende Rechnung auf: Zieht man von den 440 Milliarden Euro die bereits bewilligten Rettungspakete für Irland, Portugal und Griechenland ab, verbleibt eine Kapazität von 333 Milliarden Euro. Diese Summe könnte also maximal verwendet werden, um spanische und italienische Anleihen aufzukaufen. Die Bonds würden dann bei der EZB als Sicherheit hinterlegt. Mit dieser Sicherheit im Rücken könnte die Zweckgesellschaft Kredite vergeben. Üblicherweise muss nicht die volle Kredithöhe als Sicherheit hinterlegt werden. Middendorf hält einen Hebel von Acht für realistisch. Das heißt, das achtfache Volumen der hinterlegten Sicherheiten - 2,664 Billionen Euro - könnte als Kredit an strauchelnde Euroländer vergeben werden.
"Der Hebel vermeidet, dass die nationalen Parlamente nochmals über eine Aufstockung des Rettungsfonds abstimmen müssen", erläutert Middendorf. "Wenn es hart auf hart kommt, würde dann natürlich die EZB auf den Staatsanleihen sitzen bleiben, das Risiko bleibt also ganz klar bei den Mitgliedsländern der EZB."
Etliche Analysten begrüßen diesen Ansatz und sehen ihn als Königsweg aus der Krise. Es gibt aber auch kritische Töne: "Mit Leverage hat die Finanzmarktkrise angefangen", sagt Carsten Klude, Aktienstratege bei MM Warburg; und fügte hinzu: "Wenn man den Ausweg aus einer Krise mit einem Instrument sucht, das in die Krise hineingeführt hat, zeigt das schon, wie der Markt tickt."
(Zusammengestellt von Kirsti Knolle in Frankfurt, redigiert von Reinhard Becker)