ATHEN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Mit der größten Staatsumschuldung aller Zeiten verschafft sich Griechenland Luft im Dauerkampf gegen die Pleite. Nach bangen Monaten mit langwierigen Verhandlungen kam am Freitagmorgen die Erfolgsmeldung aus Athen: Das Finanzministerium gab eine hohe Beteiligung an dem Forderungsverzicht privater Gläubiger bekannt. Um gewaltige 105 Milliarden Euro soll sich der Schuldenberg im Endeffekt verringern.
Die Euro-Finanzminister reagierten umgehend und gaben einen Teil des neuen 130-Milliarden-Hilfspakets für das krisengeschüttelte Land im Südosten Europas frei. Bei einer Telefonkonferenz einigten sich die Kassenhüter darauf, dass 30 Milliarden Euro zur Unterstützung des Schuldenschnitts plus 5,5 Milliarden Euro für die Begleichung aufgelaufener Zinsen nun bereit stehen. Grünes Licht für das komplette Paket soll Anfang nächster Woche bei einem Ministertreffen in Brüssel gegeben werden.
MÄRKTE REAGIEREN ERLEICHTERT
Mit Erleichterung, aber ohne Euphorie reagierten die internationalen Finanzmärkte. Der Eurokurs gab nach. 'Für viele Marktteilnehmer ist mit der Umschuldung die Büchse der Pandora geöffnet. Das komplette Ausmaß ist noch nicht absehbar und die Frage ist: Was kommt nach Griechenland?', kommentierte ein Aktienhändler.
Weil Athen nicht ganz ohne Zwang auskommt, um die angestrebte Schuldenreduzierung zu erreichen, sehen etliche Marktteilnehmer die Ansteckungsgefahr für Euro-Krisenländer wie Portugal noch keineswegs als gebannt an. Denn es gibt Investoren, die aus den Schwierigkeiten solcher Staaten Profit schlagen und diese deswegen ins Visier nehmen.
IWF MIT IM BOOT
Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den Schuldenschnitt als 'ermutigendes Ergebnis'. EU-Währungskommissar Olli Rehn äußerte sich 'sehr zufrieden', verlangte aber wie Merkel die Umsetzung des von Athen zugesagten Spar- und Reformprogramms. An dem neuen Hilfspaket für Athen wird sich auch der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem 'bedeutenden Beitrag' beteiligen, wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble unter Berufung auf IWF-Chefin Christine Lagarde ankündigte.
Im Detail sieht die Schuldenschnitt-Bilanz so aus: Bei den Papieren im Volumen von 177 Milliarden Euro, die nach griechischem Recht ausgegeben worden waren, wurden 85,8 Prozent zum Umtausch eingereicht. Damit will sich der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos aber nicht zufriedengeben: Die restlichen Anleihen sollen nun auf dem Weg von Umtauschklauseln zusammenkommen, mit denen Anlegern auch gegen ihren Willen zum Tausch gezwungen werden können. Die Aktivierung dieser 'Collective Action Clauses' (CAC) ist nach einem eigens dafür geschaffenen Gesetz möglich.
DETAILS
Bei den übrigen Anleihen im Volumen von 29 Milliarden Euro beträgt die Beteiligungsquote 69 Prozent. Für diese Anleihen, die nach internationalem Recht ausgegeben wurden, wird die Annahmefrist für das Umtauschangebot bis zum 23. März verlängert.
Die mit den Banken getroffene Grundsatzvereinbarung sieht einen Forderungsverzicht von 53,5 Prozent vor. Der Schuldenberg soll faktisch um gut 105 Milliarden Euro abgetragen werden. Ausgangspunkt ist ein Anleihevolumen von insgesamt 206 Milliarden Euro in der Hand privater Gläubiger, die im Tausch neue Anleihen mit langen Laufzeiten und relativ niedrigen Zinsen erhalten.
Für Spannung sorgte bis zum Abend noch die Frage, ob die Aktivierung der Umschuldungsklauseln nun als 'Kreditereignis' gewertet wird; mit diesem Begriff ist ein Zahlungsausfall gemeint, der die sogenannten Kreditausfallversicherungen ('Credit Default Swaps', CDS) auslösen würde. Darüber wollte die zuständige International Swaps and Derivatives Association (ISDA) noch am Freitag entscheiden. Wegen nicht absehbarer Folgen für Finanzinstitute und -märkte wurde bisher alles daran gesetzt, dass diese Versicherungen nicht fällig werden. Ausschlaggebend sind die negativen Erfahrungen während der letzten großen Finanzkrise 2008. Nachdem CDS-Titel bei der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zu einem kolossalen Dominoeffekt und zur Beinahe-Pleite des großen US-Versicherers AIG geführt hatten, sind ihre Auswirkungen gefürchtet.
GRIECHENLAND NOCH NICHT DAUERHAFT ÜBER DEN BERG
Der Schuldenschnitt war eine Bedingung der internationalen Helfer für neue Unterstützung. Die Argumentation, mit der private Gläubiger ins Boot geholt wurden: Ohne weitere Hilfen wäre Griechenland bankrott und Anleihegläubiger würde der Verlust ihres gesamten Investments drohen.
Griechenland ist nach Ansicht der Kreditwirtschaft aber noch nicht dauerhaft über den Berg. Für Griechenland sei das Ergebnis 'ein Lichtblick, allerdings nicht das Ende der Krise', sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), einer Mitteilung zufolge.
BUNDESREGIERUNG: 'HISTORISCHE CHANCE'
Mit der hohen Beteiligung der privaten Gläubiger ist nach Aussage der Bundesregierung dem Land aber eine 'historische Chance' gegeben worden. 'Wir begrüßen, dass sich der Privatsektor in einem hohen Maße freiwillig an der Stabilisierung Griechenlands beteiligen wird', erklärte das Finanzministerium in Berlin.
Venizelos dankte den Gläubigern, 'die unser ehrgeiziges Reform- und Anpassungsprogramm unterstützt und sich an den Opfern des griechischen Volks bei diesem historischen Unterfangen beteiligt haben'. Später sagte er im Parlament: 'Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes haben wir die Chance, die Schulden des Staates gewaltig zu reduzieren.'
Das Land hängt bereits seit 2010 am internationalen Finanztropf und hatte damals Hilfszusagen von 110 Milliarden Euro bekommen. Bald danach zeigte sich aber, dass diese Kredite nicht ausreichen, um Griechenland dauerhaft vor der Pleite zu bewahren./tt/cb/mt/kf/bbi/DP/jkr
Die Euro-Finanzminister reagierten umgehend und gaben einen Teil des neuen 130-Milliarden-Hilfspakets für das krisengeschüttelte Land im Südosten Europas frei. Bei einer Telefonkonferenz einigten sich die Kassenhüter darauf, dass 30 Milliarden Euro zur Unterstützung des Schuldenschnitts plus 5,5 Milliarden Euro für die Begleichung aufgelaufener Zinsen nun bereit stehen. Grünes Licht für das komplette Paket soll Anfang nächster Woche bei einem Ministertreffen in Brüssel gegeben werden.
MÄRKTE REAGIEREN ERLEICHTERT
Mit Erleichterung, aber ohne Euphorie reagierten die internationalen Finanzmärkte. Der Eurokurs gab nach. 'Für viele Marktteilnehmer ist mit der Umschuldung die Büchse der Pandora geöffnet. Das komplette Ausmaß ist noch nicht absehbar und die Frage ist: Was kommt nach Griechenland?', kommentierte ein Aktienhändler.
Weil Athen nicht ganz ohne Zwang auskommt, um die angestrebte Schuldenreduzierung zu erreichen, sehen etliche Marktteilnehmer die Ansteckungsgefahr für Euro-Krisenländer wie Portugal noch keineswegs als gebannt an. Denn es gibt Investoren, die aus den Schwierigkeiten solcher Staaten Profit schlagen und diese deswegen ins Visier nehmen.
IWF MIT IM BOOT
Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den Schuldenschnitt als 'ermutigendes Ergebnis'. EU-Währungskommissar Olli Rehn äußerte sich 'sehr zufrieden', verlangte aber wie Merkel die Umsetzung des von Athen zugesagten Spar- und Reformprogramms. An dem neuen Hilfspaket für Athen wird sich auch der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem 'bedeutenden Beitrag' beteiligen, wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble unter Berufung auf IWF-Chefin Christine Lagarde ankündigte.
Im Detail sieht die Schuldenschnitt-Bilanz so aus: Bei den Papieren im Volumen von 177 Milliarden Euro, die nach griechischem Recht ausgegeben worden waren, wurden 85,8 Prozent zum Umtausch eingereicht. Damit will sich der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos aber nicht zufriedengeben: Die restlichen Anleihen sollen nun auf dem Weg von Umtauschklauseln zusammenkommen, mit denen Anlegern auch gegen ihren Willen zum Tausch gezwungen werden können. Die Aktivierung dieser 'Collective Action Clauses' (CAC) ist nach einem eigens dafür geschaffenen Gesetz möglich.
DETAILS
Bei den übrigen Anleihen im Volumen von 29 Milliarden Euro beträgt die Beteiligungsquote 69 Prozent. Für diese Anleihen, die nach internationalem Recht ausgegeben wurden, wird die Annahmefrist für das Umtauschangebot bis zum 23. März verlängert.
Die mit den Banken getroffene Grundsatzvereinbarung sieht einen Forderungsverzicht von 53,5 Prozent vor. Der Schuldenberg soll faktisch um gut 105 Milliarden Euro abgetragen werden. Ausgangspunkt ist ein Anleihevolumen von insgesamt 206 Milliarden Euro in der Hand privater Gläubiger, die im Tausch neue Anleihen mit langen Laufzeiten und relativ niedrigen Zinsen erhalten.
Für Spannung sorgte bis zum Abend noch die Frage, ob die Aktivierung der Umschuldungsklauseln nun als 'Kreditereignis' gewertet wird; mit diesem Begriff ist ein Zahlungsausfall gemeint, der die sogenannten Kreditausfallversicherungen ('Credit Default Swaps', CDS) auslösen würde. Darüber wollte die zuständige International Swaps and Derivatives Association (ISDA) noch am Freitag entscheiden. Wegen nicht absehbarer Folgen für Finanzinstitute und -märkte wurde bisher alles daran gesetzt, dass diese Versicherungen nicht fällig werden. Ausschlaggebend sind die negativen Erfahrungen während der letzten großen Finanzkrise 2008. Nachdem CDS-Titel bei der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zu einem kolossalen Dominoeffekt und zur Beinahe-Pleite des großen US-Versicherers AIG
GRIECHENLAND NOCH NICHT DAUERHAFT ÜBER DEN BERG
Der Schuldenschnitt war eine Bedingung der internationalen Helfer für neue Unterstützung. Die Argumentation, mit der private Gläubiger ins Boot geholt wurden: Ohne weitere Hilfen wäre Griechenland bankrott und Anleihegläubiger würde der Verlust ihres gesamten Investments drohen.
Griechenland ist nach Ansicht der Kreditwirtschaft aber noch nicht dauerhaft über den Berg. Für Griechenland sei das Ergebnis 'ein Lichtblick, allerdings nicht das Ende der Krise', sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), einer Mitteilung zufolge.
BUNDESREGIERUNG: 'HISTORISCHE CHANCE'
Mit der hohen Beteiligung der privaten Gläubiger ist nach Aussage der Bundesregierung dem Land aber eine 'historische Chance' gegeben worden. 'Wir begrüßen, dass sich der Privatsektor in einem hohen Maße freiwillig an der Stabilisierung Griechenlands beteiligen wird', erklärte das Finanzministerium in Berlin.
Venizelos dankte den Gläubigern, 'die unser ehrgeiziges Reform- und Anpassungsprogramm unterstützt und sich an den Opfern des griechischen Volks bei diesem historischen Unterfangen beteiligt haben'. Später sagte er im Parlament: 'Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes haben wir die Chance, die Schulden des Staates gewaltig zu reduzieren.'
Das Land hängt bereits seit 2010 am internationalen Finanztropf und hatte damals Hilfszusagen von 110 Milliarden Euro bekommen. Bald danach zeigte sich aber, dass diese Kredite nicht ausreichen, um Griechenland dauerhaft vor der Pleite zu bewahren./tt/cb/mt/kf/bbi/DP/jkr