DÜSSELDORF/ERKELENZ (dpa-AFX) - Der überraschende Beschluss der NRW-Landesregierung zur Verkleinerung des Braunkohleabbaus im Rheinischen Revier hat eine Debatte über ein dort geplantes Kraftwerk ausgelöst. Das Planungsverfahren für die rund 1,1 Gigawatt große und 1,5 Milliarden Euro teure Anlage in Niederaußem müsse abgebrochen werden, forderte die Umweltorganisation BUND am Montag in Düsseldorf. Wer heute noch große Braunkohlekraftwerke plane, habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Der Stromkonzern RWE (ETR:RWE) wies die Forderung zurück. Die künftige Planung des Braunkohleabbaus in NRW müsse ergebnisoffen und ohne Vorfestlegungen erfolgen, hieß es in einer Unternehmensstellungnahme. "Vor diesem Hintergrund sehen wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit, das laufende Genehmigungsverfahren für BoAplus zu stoppen." RWE werde seine finale Bauentscheidung frühestens in zwei Jahren auf der Grundlage der dann geltenden Marktbedingungen treffen.
Das BoAplus-Kraftwerk soll nach RWE-Angaben das modernste und umweltfreundlichste Braunkohlenkraftwerk des Rheinischen Reviers werden. Das Neubauprojekt könnte nach Einschätzung von Fachleuten über die vier- bis fünfjährige Bauzeit mehrere tausend Jobs sichern. Außerdem soll das neue Kraftwerk vier ältere 300-Megawatt-Braunkohleblöcke mit wesentlich höherem Schadstoffausstoß ersetzen.
Am vergangenen Freitag hatte die rot-grüne Landesregierung überraschend bekanntgegeben, dass der Tagebau Garzweiler II verkleinert werden solle. Etwa 300 Millionen von insgesamt 1,3 Milliarden Tonnen Braunkohle sollen nicht ausgebaggert werden.
Die Stadt Erkelenz, auf deren Gebiet der Tagebau liegt, beklagte, dass sie offiziell über die Pläne der Landesregierung nicht informiert worden sei. "Wir als Stadt haben noch gar keine offizielle Information bis jetzt", sagte Bürgermeister Peter Jansen (CDU) am Montagnachmittag.
Spannend sei die Frage, wo die endgültige Abbaulinie laufen werde. Das gilt vor allem für zwei Landwirte, die um ihre Höfe bangen. "Für uns ist die Lage wie vorher", sagte Petra Schmitz vom Eggerather Hof. Sie gehe davon aus, dass die veröffentlichen Skizzen keine genauen Abbaugrenzen zeigten. Ein paar Zentimeter auf dem Papier könnten über die Existenz des Hofes aus dem Jahr 1160 entscheiden.
Zur Festlegung der neuen Abbaulinie seien noch eine Reihe von Detailfragen zu klären, teilte die Staatskanzlei mit. Die Landesregierung strebe eine einvernehmliche Lösung im Dialog mit dem Unternehmen an. Dazu sollten zeitnah Gespräche mit dem RWE und Vertretern der Region geführt werden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund in Nordrhein-Westfalen kritisierte, dass die Entscheidung ohne Rücksprache mit den zuständigen Gewerkschaften gefallen sei. Außerdem sei die Entscheidung energiepolitisch fragwürdig, stellte der Landesvorsitzende Andreas Meyer-Lauber am Montag in einer Mitteilung fest. Es gebe abscheinend auch kein Konzept, wie die Folgen für die Beschäftigten in der Region abgefedert werden könnten.
Der NRW-Beschluss heizte unterdessen auch in Deutschlands zweitem großen Braunkohlabbaugebiet, der Lausitz, die Diskussion neu an. Im Rheinland sei das Abbaugebiet trotz bestehenden Braunkohleplanverfahrens reduziert worden, erklärte die Umweltorganisation Grüne Liga am Montag. Nun sei es "höchste Zeit für ein Umdenken" auch in Brandenburg und Sachsen.he