- von Daren Butler
Istanbul/London/Berlin (Reuters) - Die türkische Regierung hat in der Währungskrise die Wogen an den Finanzmärkten etwas geglättet.
In einer mit Spannung erwarteten Telefonkonferenz mit Tausenden Investoren und Volkswirten demonstrierte Finanzminister Berat Albayrak - der Schwiegersohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan - am Donnerstag Zuversicht und Gelassenheit: Sein Land werde gestärkt aus der Krise hervorgehen. Kapitalkontrollen seien ebenso wenig geplant wie die Annahme von Hilfen des Internationalen Währungsfonds. Anleger reagierten mit einer gewissen Erleichterung auf Albayraks Worte: Die Lira baute ihre Kursgewinne aus, die sie im Vorfeld der Präsentation gemacht hatte. Neues Ungemach droht der Regierung in Ankara aber aus den USA, weil im Streit um einen in der Türkei festgesetzten US-Pastor zusätzliche Sanktionen ins Gespräch gebracht wurden.
Albayrak habe genügend Zuversicht verbreitet, sagte Anlagestratege Richard Segal vom Vermögensverwalter Manulife. Die Frage sei allerdings, wie er seine Ziele - etwa eine einstellige Inflationsrate - erreichen könne. Andere Experten zeigten sich vor allem zufrieden mit der Absage des türkischen Finanzministers an Kapitalkontrollen.
Das Interesse an der Telefonkonferenz war mit rund 3000 Teilnehmern immens, die türkische Währungskrise hatte zuletzt die Märkte weltweit in Atem gehalten: Seit Jahresbeginn hat die Lira rund 40 Prozent zum Dollar verloren und fiel am Montag auf ein Rekordtief. Seitdem hat eine Erholung eingesetzt. Am Donnerstag verbilligte sich der Dollar auf 5,7574 Lira.
Auf taube Ohren stößt Erdogan bislang mit seinen Aufrufen zum Umtausch von Fremdwährungen wie Dollar oder Euro in heimische Lira. Lokale Investoren bauten in der Woche bis zum 10. August ihre Einlagen in ausländischen Devisen sogar um 0,8 Prozent auf 159,9 Milliarden Dollar aus, wie aus Daten der Zentralbank hervorgeht.
Erdogans Schwiegersohn sagte weiter, die Türkei werde ihre Haushaltsziele durch eine straffere Ausgabenpolitik erreichen. Der Fokus liege zudem darauf, ausländische Investitionen ins Land zu holen - wie die milliardenschweren Zusagen Katars. Zum Streit mit den USA erklärte er, viele Staaten seien mit US-Sanktionen konfrontiert. Die Türkei werde durch diese Phase zusammen mit Ländern wie Deutschland, Russland und China navigieren.
TRUMP: DIE TÜRKEI HAT SICH NICHT ALS GUTER FREUND GEZEIGT
Doch gerade am Donnerstag verschärfte sich für die Türkei abermals der Konflikt mit Washington. US-Finanzminister Steven Mnuchin erklärte, die Regierung habe bereits weitere Sanktionen gegen die Türkei vorbereitet, wenn der US-Pastor Andrew Brunson nicht bald freikomme. Türkische Ermittler werfen Brunson Verbindungen zu dem in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen vor, der nach Darstellung der Regierung in Ankara hinter dem Putschversuch vor zwei Jahren steckt. US-Präsident Donald Trump sagte mit Blick auf den US-Pastor, die Türkei habe einen "großartigen christlichen Pastor" in der Hand. Er sei ein unschuldiger Mann. "Sie (die Türkei) hat sich nicht als guter Freund gezeigt."
Bundesfinanzminister Olaf Scholz signalisierte unterdessen die Hoffnung, dass die Türkei die jüngsten Turbulenzen bewältige. "Der Minister hat das deutsche Interesse an einer wirtschaftliche stabilen Türkei bekundet", sagte ein Sprecher von Scholz.
AUTOVERMIETER SIXT KÖNNTE VON KRISE PROFITIEREN
Die Entwicklung in der Türkei behalten auch deutsche Konzerne im Blick. Mögliche Risiken für die Commerzbank (DE:CBKG) bezeichnete deren Chef Martin Zielke als gering. Henkel (DE:HNKG_p) will an seinem dortigen Geschäft festhalten. Abseits des Verfalls der Landeswährung laufe es sehr gut, sagte der Chef des Konsumgüterkonzerns, Hans Van Bylen. Der Autoverleiher Sixt (DE:SIXG) erklärte, womöglich sogar von der Lira-Schwäche zu profitieren. Sie macht die Türkei für Touristen preislich attraktiver.
Deutsche Reisende sollte die Finanz- und Wirtschaftskrise nach Einschätzung der Bundesregierung nicht von einem Urlaub in dem Land abhalten. "Es gibt für mich keinen Grund, nicht in die Türkei zu reisen und dort Urlaub zu machen", sagte der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, der "FAZ" (Freitagausgabe). Tourismus baue persönliche Brücken zwischen Ländern. "Das brauchen wir derzeit mehr denn je."
Allerdings wurden die Beziehungen zur Türkei gerade durch eine weitere Verhaftung eines deutschen Staatsbürgers belastet. Der 46-jährige Hamburger wurde im kurdischen Teil der Türkei bei einem Besuch seiner Mutter festgenommen, wie Tagesschau.de unter Berufung auf den Anwalt des Mannes berichtete. Ihm werde vorgeworfen, sich kritisch über die türkische Regierung geäußert zu haben.