Berlin (Reuters) - Kurz vor dem SPD-Sonderparteitag ist der Streit zwischen Union und Sozialdemokraten über das Zwei-Prozent-Ziel der Nato neu entflammt.
Die Bundeswehr brauche zwar etwas mehr Geld, sagte der SPD-Abgeordnete Thomas Hitschler in einer Bundestagsdebatte zu dem Thema am Freitag. Das starre Zwei-Prozent-Ziel lehne seine Partei aber ab. Die Union dagegen bekannte sich erneut zu den Plänen. "Wir stehen zu unseren Verpflichtungen innerhalb der Nato und unserer Verantwortung für die Sicherheit Deutschlands", sagte der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte. Nach Berechnungen des BDI fällt Deutschland trotz steigenden Wehretats allerdings immer weiter hinter das Zwei-Prozent-Ziel zurück. Grund sei die sehr gute wirtschaftliche Entwicklung.
Die Sozialdemokraten forderten eine grundsätzliche Debatte über Sinn und Zweck der deutschen Verteidigungspolitik und die strategische Ausrichtung des Landes. Nur daraus lasse sich ableiten, welche Mittel benötigt würden. "Leider hat sich die Bundeskanzlerin in der vergangenen Legislaturperiode dieser Debatte verweigert", kritisierte Hitschler. Die Sozialdemokraten entscheiden bei einem Sonderparteitag am Sonntag in Bonn darüber, ob sie Koalitionsverhandlungen mit der Union aufnehmen.
Die Linkspartei warf der SPD Heuchelei vor. "Die SPD betreibt Abrüstungsrhetorik im Wahlkampf, um danach die gesamte Aufrüstung mitzutragen", kritisierte der Linken-Politiker Tobias Pflüger mit Blick auf die Erhöhung des Wehretats um zehn Milliarden Euro in der laufenden Legislaturperiode, die Union und SPD verabredet haben. Die Linke hatte die Bundestagsdebatte beantragt, weil sie das Zwei-Prozent-Ziel ablehnt. "Zwei Prozent würden eine gewaltige Steigerung der Verteidigungsausgaben auf 70 Milliarden pro Jahr bis 2024 bedeuten", warnte Pflüger. "Ich weiß gar nicht, wo wir die ganzen Flugzeugträger hinstellen sollen, die wir kaufen müssten, um die 70 Milliarden Euro pro Jahr in die Bundeswehr zu investieren."
BDI - DEUTSCHLAND DROHT WEITER HINTER ZIEL ZURÜCKZUFALLEN
Der CDU-Politiker Otte verteidigte das Sondierungsergebnis dagegen. "Die bei den Sondierungen erreichten Grundlagen stimmen von der Richtung her", sagte er. "Wir müssen aber weiterhin auf eine Verstärkung der Mittel für die Bundeswehr hinarbeiten." Dazu müsse der Wehretat, der 2017 bei 37 Milliarden Euro lag, deutlich wachsen. Im Sondierungspapier[nL8N1PB3NC] von Union und SPD taucht das Zwei-Prozent-Ziel der Nato nicht auf. Das Papier enthält jedoch eine Steigerung des Wehretats um zehn Milliarden Euro bis 2021.
Nach Berechnungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) fällt Deutschland trotz der jüngsten Erhöhung seiner Verteidigungsausgaben jedoch immer stärker hinter das Nato-Ziel zurück. Wegen der sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung liege der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt für das Jahr 2017 nur noch bei 1,13 Prozent, erklärte der Verband. Bei einer Schätzung im Sommer hatte die Nato dagegen noch mit 1,22 Prozent gerechnet. Zuerst hatte das "Handelsblatt" über die Berechnungen berichtet.
Auch die von Union und SPD in der Sondierung verabredete weitere Erhöhung des Wehretats wird Deutschland auf dem Weg zum Zwei-Prozent-Ziel nach Einschätzung des BDI nicht weiterbringen. Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt werde trotz dieser weiteren Aufstockung bis 2021 nicht steigen, erklärte der Industrieverband. "Im Gegenteil, bei sehr guter wirtschaftlicher Entwicklung droht der Anteil sogar weiter zu sinken."
Beim Nato-Gipfel 2014 in Wales hatten die Verbündeten das Ziel bekräftigt, ihre Verteidigungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu steigern. Die Koppelung an das Bruttoinlandsprodukt bedeutet, dass sich das Ziel in realen Zahlen erhöht, je besser die Wirtschaft eines Landes läuft.