Berlin (Reuters) - In Deutschland sind im vergangenen Jahr so viele Wohnungen gebaut worden wie seit 2004 nicht mehr.
Knapp 278.000 Einheiten wurden fertiggestellt und damit 30.000 oder zwölf Prozent mehr als im Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Dennoch gehen Bundesregierung und Baubranche davon aus, dass etwa wegen der steigenden Nachfrage in Ballungsräumen und der Zuwanderung mehr neue Wohnungen nötig wären. "Wir sind auf dem richtigen Weg, müssen aber noch weitergehen", sagte Bundesbauministerin Barbara Hendricks. "Wir brauchen insgesamt mindestens 350.000 neue Wohnungen pro Jahr."
Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) sprach von einer ernüchternden Bilanz. "Vom eigentlichen Neubaubedarf von 400.000 Wohnungen bleiben wir mit dieser geringen Dynamik auch künftig meilenweit entfernt", sagte BFW-Präsident Andreas Ibel. Er kritisierte verschärfte Bauvorschriften und den Mangel an Bauland. Die Parteien müssten jetzt zur Bundestagswahl klarmachen, wie sie den Wohnungsneubau ankurbeln wollten. "Sonst wird auch in den kommenden Jahren keine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt eintreten." Ministerin Hendricks von der SPD betonte, es dürften nicht nur teure Wohnungen entstehen, "sondern möglichst viele Wohnungen im bezahlbaren Segment". Deshalb habe man die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau auf mehr als 1,5 Milliarden Euro verdreifacht.
STIMMUNG DER BAUBRANCHE AUF HÖCHSTEM STAND SEIT 1991
Die Baubranche profitiert seit längerem von niedrigen Zinsen. Dadurch leisteten sich in den vergangenen Jahren immer mehr private Bauherren die eigenen vier Wände, während zugleich Investoren mangels attraktiver Anlagealternativen viel Geld in Immobilien stecken. Dies trieb die Preise in die Höhe und auch die Auslastung von Bauunternehmen hoch. Die Bundesbank warnte erst kürzlich vor einer Überhitzung des Immobilienmarktes. Die Stimmung im Bauhauptgewerbe ist derzeit allerdings blendend, wie aus der jüngsten Umfrage des Ifo-Instituts vom Mai hervorgeht. "Die Beurteilung der aktuellen Lage verbesserte sich auf ein neues Rekordniveau seit 1991", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Die Bautätigkeit wurde merklich ausgeweitet."
Mehr Fertigstellungen von Wohnungen gab es 2016 vor allem in Mehrfamilienhäusern mit fast zehn Prozent. In Wohnheimen gab es einen Anstieg um knapp 60 Prozent oder 5300 Wohnungen. Grund ist der wachsende Bedarf an Flüchtlingsunterkünften.
Auch 2016 war der Anstieg der genehmigten Wohnungen - rund 20 Prozent auf 375.400 Einheiten - deutlich höher als die Zunahme der Fertigstellungen. Das führte nach Angaben der Statistiker zu einem Überhang von nunmehr 605.800 genehmigten, noch nicht fertiggestellten Wohnungen. "Wichtig ist, dass die genehmigten Wohnungen jetzt auch wirklich gebaut werden", forderte Hendricks.