Börsen-Zeitung: Aufräumarbeiten, Kommentar zum Gesetzesvorschlag von
EU-Kommissar Michel Barnier zur Regulierung von Indizes und
Referenzsätzen, insbesondere des Libor, von Christopher Kalbhenn.
Frankfurt (ots) - Kein anderer Skandal hat bisher das Vertrauen in
den Finanzmarkt derart erschüttert wie die Libor-Manipulation. Gerade
das völlige Fehlen von Unrechtsbewusstsein oder ethischer Bedenken
bei den an dem Betrug beteiligten Personen lassen befürchten, dass es
noch sehr lange dauern kann, bis das Vertrauen in Zins- und andere
Referenzindizes wieder hergestellt ist.
Immerhin machen die Aufräumarbeiten Fortschritte, so dass man
hoffen darf, dass sich ein Betrug dieses Ausmaßes nicht wiederholen
wird. Allerdings ist es unschön, dass die britische Regierung andere
Prioritäten setzt als die für das Funktionieren des Finanzmarkts
unerlässliche Integrität von Eckzinssätzen, die für Kredite,
Hypotheken, Anleihen und außerbörsliche Derivate maßgeblich sind. Nur
unter der Voraussetzung, dass nicht die europäische Aufsicht ESMA,
sondern die nationalen Instanzen federführend zuständig sind, scheint
Großbritannien bereit, dem EU-Gesetzesvorschlag zuzustimmen. Das
heißt, dass die Aufsicht über den Eckzins in London bleibt.
Es ist mehr als verständlich, dass dies wie andere Verwässerungen
auf Misstrauen und heftige Kritik stößt. Schließlich hat man die
Erfahrung gemacht, dass es viel zu lange Aufgabe der heimischen
Aufsicht gewesen ist, das Gedeihen des Londoner Finanzplatzes zu
fördern, in dem sie die Marktteilnehmer nicht allzu sehr 'belästigt'.
Das hat einen Beitrag zur Finanzkrise als auch zum Libor-Skandal
geleistet. Doch der Vorwurf, es werde nun alles beim Alten bleiben,
ist überzogen.
Schließlich bleibt es dabei, dass die Teilnehmer an der Ermittlung
des Referenzzinses künftig keine Chance mehr haben, Mondscheinsätze
zurechtzufantasieren, sondern ihre Eingaben auf tatsächlichen
Transaktionen basieren und dieses auch belastbar dokumentieren
müssen. Hinzu kommen die geplanten strafrechtlichen Sanktionen, was
zugegebenermaßen angesichts bereits vorhandener Gesetze gegen
Betrugsdelikte nur begrenzt als Veränderung angesehen werden kann.
Entscheidend wird aber sein, dass die Aufsichten die
Zinsermittlung ernsthaft überwachen, und es kann vermutet werden,
dass man sich selbst in London entsprechend bemühen wird. Denn ebenso
wie die Finanzindustrie, die längst interne Aufräumarbeiten als Folge
des Skandals gemacht hat und einen glaubwürdigen Eckzins auch
dringend braucht, muss London darauf bedacht sein, seinen Ruf als
Finanzzentrum nicht durch einen weiteren großen Skandal vollends zu
ruinieren.
(Börsen-Zeitung, 19.9.2013)
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EU-Kommissar Michel Barnier zur Regulierung von Indizes und
Referenzsätzen, insbesondere des Libor, von Christopher Kalbhenn.
Frankfurt (ots) - Kein anderer Skandal hat bisher das Vertrauen in
den Finanzmarkt derart erschüttert wie die Libor-Manipulation. Gerade
das völlige Fehlen von Unrechtsbewusstsein oder ethischer Bedenken
bei den an dem Betrug beteiligten Personen lassen befürchten, dass es
noch sehr lange dauern kann, bis das Vertrauen in Zins- und andere
Referenzindizes wieder hergestellt ist.
Immerhin machen die Aufräumarbeiten Fortschritte, so dass man
hoffen darf, dass sich ein Betrug dieses Ausmaßes nicht wiederholen
wird. Allerdings ist es unschön, dass die britische Regierung andere
Prioritäten setzt als die für das Funktionieren des Finanzmarkts
unerlässliche Integrität von Eckzinssätzen, die für Kredite,
Hypotheken, Anleihen und außerbörsliche Derivate maßgeblich sind. Nur
unter der Voraussetzung, dass nicht die europäische Aufsicht ESMA,
sondern die nationalen Instanzen federführend zuständig sind, scheint
Großbritannien bereit, dem EU-Gesetzesvorschlag zuzustimmen. Das
heißt, dass die Aufsicht über den Eckzins in London bleibt.
Es ist mehr als verständlich, dass dies wie andere Verwässerungen
auf Misstrauen und heftige Kritik stößt. Schließlich hat man die
Erfahrung gemacht, dass es viel zu lange Aufgabe der heimischen
Aufsicht gewesen ist, das Gedeihen des Londoner Finanzplatzes zu
fördern, in dem sie die Marktteilnehmer nicht allzu sehr 'belästigt'.
Das hat einen Beitrag zur Finanzkrise als auch zum Libor-Skandal
geleistet. Doch der Vorwurf, es werde nun alles beim Alten bleiben,
ist überzogen.
Schließlich bleibt es dabei, dass die Teilnehmer an der Ermittlung
des Referenzzinses künftig keine Chance mehr haben, Mondscheinsätze
zurechtzufantasieren, sondern ihre Eingaben auf tatsächlichen
Transaktionen basieren und dieses auch belastbar dokumentieren
müssen. Hinzu kommen die geplanten strafrechtlichen Sanktionen, was
zugegebenermaßen angesichts bereits vorhandener Gesetze gegen
Betrugsdelikte nur begrenzt als Veränderung angesehen werden kann.
Entscheidend wird aber sein, dass die Aufsichten die
Zinsermittlung ernsthaft überwachen, und es kann vermutet werden,
dass man sich selbst in London entsprechend bemühen wird. Denn ebenso
wie die Finanzindustrie, die längst interne Aufräumarbeiten als Folge
des Skandals gemacht hat und einen glaubwürdigen Eckzins auch
dringend braucht, muss London darauf bedacht sein, seinen Ruf als
Finanzzentrum nicht durch einen weiteren großen Skandal vollends zu
ruinieren.
(Börsen-Zeitung, 19.9.2013)
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