- von Guy Faulconbridge und Peter Maushagen
London/Brüssel (Reuters) - Nach dem Scheitern des Vertrags zum EU-Ausstieg im britischen Parlament will Premierministerin Theresa May mehr Entgegenkommen aus Brüssel verlangen.
Wie britische Zeitungen am Montag berichteten, wird May dies bei ihrer Rede am Nachmittag vor dem Unterhaus in London deutlich machen. Der "Times" zufolge habe sie ihr Kabinett unterrichtet und wolle mit den Vorschlägen an die Adresse Brüssels vor allem Skeptiker in den eigenen Reihen umstimmen. Ein Sprecher von May wollte sich dazu nicht direkt äußern und verwies allgemein auf notwendige Änderungen. Einem Bericht des "Daily Telegraph" zufolge erwägt sie auch Gespräche über das Karfreitagsabkommen zur Befriedung Nordirlands. Eine Neufassung des Vertrags solle garantieren, dass eine harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland vermieden wird. Aus Irland kam umgehend Widerspruch.
May beginnt ihre Rede am Montag um 16.30 Uhr MEZ, eine anschließende Aussprache ist nicht geplant. "Wir sind alle ganz gespannt", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas in Brüssel. London müsse endlich erklären, was man wolle und wofür es eine Mehrheit im Parlament gebe. Ähnlich sieht es die EU-Kommission, die die Ausstiegsverhandlungen im Namen der restlichen 27 EU-Länder führte. "Es bringt nichts, in Brüssel nach Antworten zu suchen", sagte ein Behördensprecher. Nun sei London am Zug.
May hatte vorige Woche eine herbe Schlappe einstecken müssen. Das Unterhaus votierte mit 432 zu 202 Stimmen gegen den von ihr ausgehandelten EU-Austrittsvertrag - die schwerste Niederlage für eine britische Regierung in der jüngeren Geschichte. Großbritannien steckt in der schwersten politischen Krise seit einem halben Jahrhundert. Gut zwei Monate vor dem EU-Goodbye stehen die Bedingungen für den Brexit immer noch nicht fest. Bürgern und Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals droht ein ungeordneter Abschied mit schweren Folgen. Mittlerweile machen in London diverse Szenarien die Runde, darunter ein zweites Referendum, ein Verbleib in der EU und Neuwahlen. Der EU-skeptische Abgeordnete Jacob Rees-Mogg rechnet mit einem harten Brexit. Dieses Szenario sei am wahrscheinlichsten.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hingegen zeigte sich zuversichtlich, dass ein harter Brexit vermieden werden kann. "Aber trotzdem ist die Bundesregierung natürlich auf alle denkbaren Szenarien vorbereitet", sagte er dem RBB. Er erwarte nicht, dass es bei einem ungeregelten Brexit zur Rezession in Deutschland komme.
IRLAND LEHNT DIREKTE GESPRÄCHE AB
Mays Niederlage fiel auch deshalb so schwer aus, weil viele Parlamentarier sich insbesondere mit einer Speziallösung für Irland im Ausstiegsvertrag mit der EU nicht anfreunden können. Diese als Backstop bekannte Klausel soll notfalls verhindern, dass es nach dem Brexit zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland eine harte Grenze mit Kontrollen gibt.
Einem Bericht der "Sunday Times" zufolge spielt May auch bilaterale Verhandlungen mit Irland durch, um das Brexit-Abkommen doch noch durch das Parlament zu bringen. Mit dem Schritt wolle May die umstrittene Backstop-Vereinbarung im Scheidungsabkommen mit der EU aushebeln. Mays Berater seien der Auffassung, dass die Regierungschefin damit die Unterstützung für ihren Brexit-Plan von der DUP erhalten würde. Die nordirischen Unionisten stützen die Regierung der Torys, die im Parlament keine eigene Mehrheit haben.
Naturgemäß wenig Begeisterung lösen die Berichte in Irland aus. Man wolle nicht direkt mit Großbritannien über den Brexit sprechen, sagte die irische Europaministerin Helen McEntee. Die Verhandlungen würden von der EU mit den Briten geführt. Für Irland sei auch das Karfreitagsabkommen, das den Bürgerkrieg in Nordirland beendete, nicht verhandelbar. Sie glaube auch nicht, dass May Änderungen am Karfreitagsabkommen in Erwägung ziehe.
Maas warnte bei einem Treffen mit EU-Amtskollegen vor einem Wiederaufflammen des Irland-Konflikts. Wie man am Wochenende gesehen habe, lägen dort die Nerven blank, sagte Maas unter Verweis auf die Explosion einer Autobombe auf der Insel. Europa sei ein Friedensprojekt und werde nichts unternehmen, was zum Aufbrechen alter Konflikte führe. "Bei dem Punkt kann ich mir in den anstehenden Gesprächen nur wenig Veränderungen vorstellen."