Berlin (Reuters) - Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt auf eine Lockerung der EU-Beihilferegeln und eine aktive Industriepolitik, damit Europa wirtschaftlich gegenüber China und den USA Boden gut machen kann.
"Viel zu viele Innovationen kommen aus den USA und China", sagte Merkel am Donnerstag in Berlin in einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel. Bei der Aufholjagd könne man nicht nur auf den Mittelstand setzen. Nötig sei auch eine Debatte über europäischen Champions, also größere, international wettbewerbsfähige Firmen. "Wir müssen proaktiv sein, ausbrechen aus dem klassischen Beihilferahmen."
Der 28 EU-Regierungen wollen auf dem Gipfel in Brüssel am Donnerstagabend über das Verhältnis etwa zu China und am Freitag über Industriepolitik diskutieren. Dabei wird es auch darum gehen, ob der EU-Beihilferahmen und das EU-Wettbewerbsrecht für das Digitalzeitalter geändert werden soll. Ziel müsse eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Forschung und Innovation sein, um die Vorteile des EU-Binnenmarktes auszuschöpfen. "Ich bitte uns, nicht immer reflexartig zu reagieren, wenn es um strategische Industriepolitik geht", mahnte Merkel mit Blick auf die auch von Wirtschaftsminister Peter Altmaier ausgelöste Debatte um eine nationale Industriepolitik.
Es gehe nicht darum, dass der Staat künftig die Rolle der Wirtschaft einnehme. Aber es sei unsinnig, wenn der Staat zwar eine Menge Umweltvorschriften für die Autoindustrie mache, sich aber nicht auch um die Frage kümmere, wie Wertschöpfungsketten in Europa erhalten bleiben könnten. Merkel verteidigte in diesem Zusammenhang die Anstrengungen zur Bildung von Batterie-Konsortien in Deutschland und Europa. Diese Technologie sei für die Mobilität der Zukunft entscheidend.
Auf dem EU-Gipfel wird auch über die Frage des Umgangs mit China beraten. Dazu hat die EU-Kommission zehn Vorschläge vorgelegt, die unter anderem vorsehen, auf gegenseitigen Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen zu drängen. Merkel sprach davon, dass China gleichzeitig ein "strategischer Partner und ein strategischer Konkurrent" sei.
"Das Maßnahmenpaket der Kommission liefert passgenaue Lösungsansätze auf die zentralen wirtschaftspolitischen Herausforderungen im Umgang mit China", lobte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des BDI. "Die deutsche Industrie appelliert an den Europäischen Rat, die Maßnahmen der Kommission zu billigen und schnell konkrete Schritte folgen zu lassen."
Merkel mahnte zugleich mehr Flexibilität in der deutschen Rüstungsexportpolitik an. Gemeinsame Projekte brauchten Verlässlichkeit der Partner, weil "nicht die Lieferung von wenigen Teilen dazu führen darf, dass andere überhaupt nicht mehr funktionsfähig sind." Hintergrund ist das Drängen Frankreichs und Großbritanniens, Deutschland dürfe nicht weiter die Ausfuhr von Gemeinschaftsprodukten etwa nach Saudi-Arabien blockieren. Die SPD-Fraktion hatte am Dienstag eine Verlängerung des Moratoriums bis Oktober gefordert. Frankreich wiederum will erst dann einen gemeinsamen Kampfjet und Panzer mit Deutschland entwickeln, wenn die Bundesregierung auf einseitige Exportverbote verzichtet.